Schwarze Menschen sollten mit allen Mitteln rebellieren – Lorenzo Kom’boa Ervin

Der nachfolgende Beitrag ist eines von 85 Artikeln aus dem Buch Schwarze Saat – Gesammelte Schriften zum Schwarzen und Indigenen Anarchismus.

Anmerkung: Im Buch befinden sich völlig unterschiedliche, und teils widersprechende, Positionen. Es werden hier alle Beiträge veröffentlicht, auch solche, deren Positionen wir nicht teilen.

Schwarze Menschen sollten mit allen Mitteln rebellieren

Lorenzo Kom’boa Ervin

Ich wurde schon mehrmals von Aktivist*innen darauf angesprochen, was ich über Ferguson denke, die sagen, dass alle Straßenproteste „nutzlos“ und ineffektiv sind und beendet werden sollten, und wir einfach direkt zur bewaffneten Selbstverteidigung übergehen sollten. Ich denke nicht, dass das die einzige Lehre ist, die man aus dem Aufstand in Ferguson ziehen kann.

Zuerst möchte ich sagen, dass der Aufstand in Ferguson ein lokaler Protest war, obwohl er nationale und sogar internationale Auswirkungen hatte. Tatsache ist, dass wir keine Möglichkeit haben, solche Ereignisse zu kontrollieren und nicht versuchen sollten, sie „zu übernehmen“. Wir sind auch nicht stark genug in diesem Moment, noch gut bewaffnet oder gut organisiert genug, um strikt zur bewaffneten Selbstverteidigung allein überzugehen. Wir müssen die Massen unseres Volkes für die Idee gewinnen, die Cops, die weiße herrschende Klasse und ihren Polizeistaat mit anderen Mitteln als Pazifismus herauszufordern, während wir schließlich über massenhafte unbewaffnete Straßenkämpfe hinausgehen. Straßenkämpfe sind ein wichtiges Stadium, wenn sie richtig gemacht werden; sie werden tatsächlich zu einer neuen Form des Protests.

Wir müssen auch die Massen der Menschen aufklären, warum sie kämpfen sollten und nicht auf Al Sharpton, Obama oder die alten Bürgerrechtsverführenden und Kollaborateur*innen mit der Regierung hören. Diese Kräfte sollten entlarvt, herausgefordert und zerschlagen werden. Kann das gelingen? Erinnere dich einfach an die Black Power Bewegung der 1960er Jahre, als die Jugend in den Straßen hunderter amerikanischer Städte rebellierte, und der spätere Aufstieg der Black Panther Party. Alles geschah, als Dr. M.L. King, Jr. noch lebte und das Bürgerrechts-Establishment noch existierte.

King und die gewaltfreien Bürgerrechtstendenzen wurden zu dieser Zeit als Führende und die Bewegungen, denen die Menschen vertrauten, verdrängt. Tatsächlich hatten Kwame Toure (Stokely Carmichael) und H. Rap Brown einen ebenso guten Ruf wie Dr. King, obwohl die weiße Regierung und ihre Medien die Black Power Bewegung ablehnten und fürchteten und ausschließlich Dr. King förderten. Ich habe das mit meinen eigenen Augen gesehen.

Für mich gibt es zwei Extreme: die Pazifist*innen und die Regierung, die beide zu „friedlichen“ Demonstrationen aufrufen, und auf der anderen Seite die Aktivist*innen, die behaupten, dass alle Demonstrationen ineffektiv sind und wir diese Taktik aufgeben sollten. Wir sollten die von der Regierung kontrollierten, geskripteten, pazifistischen Demonstrationen aufgeben, dem stimme ich voll und ganz zu, aber wenn die Massen sich in Rebellion erheben, sollten wir das unterstützen.

Der Aufstand in Ferguson zeigt uns, dass es möglich ist, störende Demonstrationen über viele Tage zu haben und keinem der beiden Extreme nachzugeben, selbst im Angesicht einer Armee von Cops und Mittelklasse-Friedensstifter*innen unter den Demonstrierenden. Sie haben uns gezeigt, dass eine militante Demonstration ein Ereignis sein kann, um mit der ganzen Welt zu kommunizieren und sie zu inspirieren, sowie eine Anprangerung der Cops und der Regierung der USA.

Sie haben uns gezeigt, dass wir den Staat, die Regierung und die Cops durch solche Demonstrationen untergraben können und dass sie, auch wenn sie keine Revolution sind, die Massen zur Revolte inspirieren. Sie sind eine wichtige Etappe. Sie entlarven wie nichts anderes, dass die Regierung die lokale Polizei massiv aufrüstet, um polizeistaatliche Maßnahmen durchzuführen und die Polizei auf lokaler Ebene in eine Armee zu verwandeln.

Wir sollten uns Massenaufständen anschließen, die sowohl den tief sitzenden Hass auf die weiße Vorherrschaft als auch den Polizeistaatsterror zum Ausdruck bringen, und sie militärisch und politisch auf eine höhere Ebene tragen, wenn wir können. Was Michael Brown passiert ist, ist der Schwarzen Jugend in diesem Land schon tausende Male passiert. Der einzige Unterschied ist, dass die Menschen in seiner Gemeinschaft beschlossen haben, sich zu wehren. Wir brauchen mehr, nicht weniger jugendbasierte Community-Proteste im ganzen Land wie den Aufstand in Ferguson, während wir zu bewaffneten Propaganda-Einheiten übergehen, die die „open carry“ Gesetze voll ausnutzen.

Wir brauchen klare Strategien für den Sieg in dieser Phase: Massenbewegungen auf lokaler Ebene für die Kontrolle der Polizei durch die Gemeinschaft zu organisieren und auch mit dem Abbau der städtischen Polizeikräfte zu beginnen, die örtliche Polizei zu entmilitarisieren und zu entwaffnen und alle solche Macht für bewaffnete Kräfte/Selbstverteidigung in die Hände einer gemeinschaftsbasierten Miliz/Selbstverteidigungskraft zu legen. Andernfalls lassen wir zu, dass politische Zuhälter wie Al Charlatan und andere die Tagesordnung übernehmen und die Massen auf die Intervention des Bundes warten und angewiesen sind. Der kürzlich gegründete Huey P. Newton Rifle Club und die Socialist Rifle Association zeigen uns vielleicht einen Weg nach vorne, und wir müssen Gruppen wie diese im ganzen Land aufbauen, unabhängig von der unmittelbaren Politik.

Das ist ein Anfang, aber wir müssen letztendlich zu einer vollwertigen Black Partisan Miliz und anderen solchen breiter angelegten bewaffneten Protestbewegungen übergehen. Ich denke sogar, dass die Black Autonomy Federation und alle revolutionären Bewegungen des sozialen Wandels jetzt mit solchen Vorbereitungen beginnen sollten, während sie sich noch um andere Themen organisieren, um die Regierung in dieser Zeit herauszufordern. Dies ist meine eigene Idee zu all dem, nach der gefragt wurde, nicht die einer Organisation, und sie wird sicherlich nicht als langfristige Strategie präsentiert, nur in den Momenten nach dem Aufstand von Ferguson. Es ist nicht das letzte Wort. Auch bewaffnete Selbstverteidigung ist nicht genug. Wir brauchen eine Revolution, aber es ist etwas, womit wir uns in dieser unmittelbaren Zeit beschäftigen müssen.