Gemeinsam gegen Repression? Dann lieber alleine!

„Gemeinsam gegen Repression“, das ist einer der Leitsprüche der Roten Hilfe in Deutschland. Diese selbsternannte „strömungsübergreifende Solidaritätsorganisation“ beansprucht für sich, Solidarität für alle (linken) politisch Verfolgten zu „organisieren“. Das bedeutet in der Regel, dass mensch – vorausgesetzt mensch erfährt Repression wegen einer anerkannten, politischen Tat oder einem solchen Tatvorwurf – nach der Einreichung eines Antrags und dem darauf folgenden bürokratischen Entscheidungsprozess die Hälfte seiner Repressionskosten von der Roten Hilfe erstattet bekommt.

Zwar betont die Rote Hilfe stets, dass es ihr neben dieser finanziellen Unterstützung auch darum gehe, Solidarität auf anderen Ebenen zu „organisieren“ – was auch immer es da zu organisieren gibt –, doch in der Realität gelingt ihr das nur selten. Und ganz ehrlich: Ich persönlich lege keinen Wert auf Solidaritätsbekundungen, die bloß hohle Phrasen sind und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass es anderen da anders geht.

Überhaupt lege ich keinerlei Wert auf Solidarität von meinen Feind*innen und von denen gibt es innerhalb der Roten Hilfe eine Menge: Stalinist*innen, Trotzkist*innen, Marxismus-Leninist*innen, Maoist*innen, Kommunist*innen im Allgemeinen, Sozialdemokrat*innen und andere Befürworter*innen eines repressiven Staates. Was bedeutet ihre Solidarität anderes, als dass diese Menschen versuchen, meine Taten für ihre eigenen politischen Absichten zu vereinnahmen? Wären die politischen Machtverhältnisse zu ihren Gunsten, wären sie es, die mich verfolgen, einsperren, ja sogar hinrichten würden. Ich würde die gleiche Repression wie heute – ja, vielleicht sogar noch schlimmere – von denjenigen erleben, die heute die Repression gegenüber mir anprangern, weil sie glauben, dass ihnen das zu mehr politischem Einfluss verhelfen könnte. Na vielen Dank auch, darauf verzichte ich!

Für diese Menschen – und deren Ansichten sind in vielerlei Hinsicht prägend für die Rote Hilfe – hat Repression einen „Klassencharakter“, was so viel heißt wie wenn Repression im Namen der „Arbeiterklasse“ ausgeübt wird, ist jedes Mittel recht, wenn sie jedoch im Namen der Klasse der „Kapitalist*innen“ oder der „Bourgeoisie“ ausgeübt wird, handelt es sich um die größte vorstellbare Abscheulichkeit, das größte „Unrecht“, das mensch sich nur vorstellen kann. Ich will hier gar nicht näher auf den Herrschaftsanspruch eingehen, den diejenigen haben, die sich anmaßen im Namen einer „Klasse“ zu handeln und auch nicht auf die krude Vorstellung, dass der Zweck jedes Mittel heilige, sondern vielmehr auf einen tieferliegenden Gedanken: Wer Repression in einigen Fällen befürwortet, die*der befürwortet zweifelslos auch einen Staat oder eine ähnliche zentralistische Struktur, die in der Lage ist, diese auszuüben. Wer bereit ist, Repression zur Erreichung der eigenen Zwecke auszuüben, die*der handelt in der Absicht zu herrschen, denn Repression ist nicht die singuläre Handlung eines Individuums, sondern benötigt kollektive, autoritäre Strukturen, die bestimmten Menschen auf die ein oder andere Weise ermöglichen, ihre Herrschaftsinteressen durchzusetzen.

Es ist eine marxistisch-leninistische bzw. stalinistische oder trotzkistische Herrschaftsvorstellung, auf die ich hier Bezug nehme, keineswegs eine allgemeine Position innerhalb der Roten Hilfe. Und doch hat dieser jahrzentelange Einfluss Wirkung gezeigt: Wer in politische und unpolitische Gefangene und anderweitig Verfolgte unterscheidet, die*der macht zumindest einen Unterschied hinsichtlich der Betrachtungsweise von Repression. Überspitzt ausgedrückt: Repression gegenüber „unpolitischen“ Täter*innen wird akzeptiert, gewissermaßen sogar gutgeheißen. Wenn die Rote Hilfe also Jahr für Jahr „Freiheit für alle politischen Gefangenen“ fordert oder aus ihrer Sicht „unpolitische“ Taten (darunter auch Diebstahl, Fahren ohne Fahrschein, ja sogar die Einreise in ein Land und der Aufenthalt dort ohne Genehmigung) nicht unterstützt, reproduziert sie eben jene, dem eigenen politischen Zweck dienliche Betrachtungsweise von Repression.

Zugleich beschwört sie unter denjenigen, die sie unter einem Schirm versammeln möchte, eine Einheit und Gleichschaltung: Das oft gebrauchte Argument der Spaltung etwa – naturgemäß nur von jenen gebraucht, denen in ihren feuchten Träumen im Gleichschritt marschierende Massen erscheinen – kommt immer dann zum Einsatz, wenn irgendeine*r es wagt, problematische, etwa weil autoritäre, Einstellungen bei anderen zu kritisieren. Es sugeriert, dass alle „Linken“ doch irgendwie eine Familie wären und sich in den wesentlichen Punkten einig seien. Das ist die größte Lüge, die mensch sich vorstellen kann! Wer nur auf den richtigen Moment (etwa nach der Machtergreifung) wartet, um mich hinzurichten, die*der ist meine schlimmste*r Feind*in! Hier gibt es nichts zu spalten, zwischen uns verläuft bereits ein unüberwindbarer Graben. Ich werde diese Personen jederzeit bekämpfen und ich werde keine Sekunde zögern, sie ins Grab zu bomben, sollten sie es wagen, nach ihren Gewehren zu greifen!

Wenn die Rote Hilfe solche Menschen unter ihrem Banner vereint, bedeutet „strömungsübergreifend“ nichts weiter als „vereinheitlichend“. Es geht dann offenbar darum, durch die Suggerierung einer Einheit, wo keine ist, Masse über Qualität zu stellen. Es geht darum, die Antirepgelder verschiedener „Bewegungen“ und „Szenen“ zu akkumulieren, um sie anschließend danach zu vergeben, wer bereit ist, im Angesicht der Repression auf die rote Fahne der Diktatur „des Proletariats“ zu schwören.

In diesem Sinne kann ich auch die Rote Hilfe nur als meine Feindin betrachten, als diejenige, die meine Taten vereinnahmen und für die eigenen, autoritären Zwecke nutzbar machen möchte, diejenige, die mir über den Kopf streichelt, wie einem*einer dressierten Hünd*in, wenn ich brav mein Kunststück vorgeführt habe, und die mich verstößt, wenn ich mich geweigert habe, nach ihrer Pfeife zu tanzen.

Es kann ermutigend sein, Repression gemeinsam zu begegnen, das ist keine Frage und das passiert tagtäglich auch ganz ohne das Zutun der Roten Hilfe, sowohl in finanzieller Hinsicht, als auch durch revolutionäre Solidarität. Aber vor die Wahl gestellt, nehme zumindest ich jede Repression lieber alleine auf mich, als auf die Hilfe einer solchen Organisation zu zählen.

Entnommen aus der kürzlich eingestellten Zeitung Zündlumpen.