Am Montag Abend, um 23:00, haben die letzten verbliebenen Besetzer:innen den Bahnhofswald in Flensburg freiwillig verlassen. Die Cops konnten die beiden Kletter:innen nicht aus den Bäumen kriegen, sie hielten 2 Tage aus. Der besetzte Bahnhofswald ist somit nach 4 Tagen geräumt. Damit schließt ein Kapitel einer noch offenen Geschichte, der Widerstand wird aber – so die Ankündigung der Besetzer:innen – weiter gehen. Schon jetzt hat dieses Kapitel hier in Flensburg tiefe Spuren hinterlassen und weit über die Stadtgrenzen hinaus Menschen inspiriert.
Entnommen aus dem Archiv vom schwarzen Pfeil, anonyme Einreichung
Doch mal kurz von Anfang an; auch für all jene, die nun lediglich durch unsere Twitter und social media Berichterstattung spät in das Geschehen eingestiegen sind.
Investorenträume…
Der Bahnhofswald wurde 2016 frei gegeben zur Bebauung. In einem undurchsichtigen und rechtlich fragwürdigen Verfahren wurde der Weg geebnet für ein 50 Millionen Euro teures Hotel. Dagegen formierte sich seitens der Bürgerinitiative Bahnhofswald schnell Protest. Die genauen Umstände sind in diesem Beitrag von Radio Fratz nachzuhören. Auch hier schon zeigte sich die Übermacht von Investor:innen und die limitierte Mitwirkungsmöglichkeit auf parlamentarischer Ebene für Bürger:innen.
… drohen zu Platzen.
Im Oktober 2020 wurde dann als Direkte Aktion der Bahnhofswald besetzt, es entstanden schnell einige Baumhäuser und eine Mahnwache die fortan 24/7 besetzt war. Es entstand ein kleines Utopia, das Schüler:innen von Fridays For Future, Umweltbewegte, Linke, Anarchist:innen und Bürger:innen zusammen brachte.
Wie viele Flensburger:innen waren wir überrascht, hatten wir den Bahnhofswald doch immer nur als Grünstreifen auf dem Weg zum Bahnhof wahr genommen. Ein erster Besuch bei der Besetzung lehrte uns eines besseren – der Wald ging tief hinein, sogar eine schützenswerte Quelle und Spuren von einer Einrichtung als Naherholungsgebiet wurden sichtbar.
Von Räumungsversuchungen.
Im Januar sickerte dann durch, dass eine Räumung für den 18.01.2021 geplant sei. Aufgrund der hohen Mobilisierung wurde seitens der Stadt aber vernünftigerweise dann von diesem Vorhaben abgesehen. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich schon ab, dass Flensburg der neue Hotspot der Corona-Mutation B117 werden sollte.
„Wir können in dieser Phase keine Maßnahmen in Gang setzen, die das Ziel gefährden, die Ausbreitung der Virus zurückzudrängen“, so Stadtsprecher Teschendorf zur taz am 18.02.202. Es wurde suggeriert, dass die Besetzung und damit der Wald erst einmal gerettet seien. Doch das passte dem Investor wohl nicht – und so schickte er am Freitag den 19.02. eine private Söldner-Armee um das Gewaltmonopol einfach mal zu übernehmen. Die Söldner wüteten im Wald, sägten Bäume auf denen sich noch Menschen befanden an und gefährdeten damit Menschenleben. Auch das große Risiko ein Superspreading-Event zu organisieren nahmen die Investoren bewusst in Kauf.
Die Polizei stoppte schließlich das illegale Unterfangen einer privat organisierten Räumung. Da hatten die Söldner in ihrem Amok-Lauf durch den Wald allerdings schon gezielt massenhaft Bäume durch kreisrundes ansägen getötet.
Versprechungen hat es nie gegeben.
Die verbliebenen Baumhäuser und Bäume würden bis Ende des Monats (und damit bis zum Ende der Rodungssaison) bleiben, so Oberbürgermeisterin Simone Lange am Samstaggegenüber den Besetzer:innen und der Mahnwache (und gegenüber dem NDR). Am Sonntag zeigte sich dann allerdings, dass Lange wohl eher ein trumpistisches Verhältnis zur Wahrheit hat, es wurde schließlich doch geräumt. Ihre eigene Aussage vom Samstag nannte sie danach in der shz Fake-News und war vollkommen in der Welt der Alternativen Fakten angekommen. Es zeigte sich, dass sie vollkommen richtig in der SPD ist, ist sie doch eine vorbildliche Verfechterin der 3 Grundpfeiler der SPD: Verrat, Betrug und Rückratlosigkeit.
Neben der gebrochenen Zusage, dass nicht geräumt wird, wurde am Montag auch das Versprechen, dass nicht gerodet wird gebrochen, selbst Bäume, die eigentlich seit dem 1.2. gar nicht mehr gefällt werden dürften, wurden abgeholzt.
Nun wurden also am Sonntag und Montag Cops aus ganz Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und von der Bundespolizei angekarrt um die verbliebenen Baumhäuser zu räumen. Und das zu einem äußert brisanten Zeitpunkt der Pandemie, bei dem eine nächtliche Ausgangssperre just in Kraft getreten ist.
Die absurde Legitimation für diese Räumung: der Infektionsschutz, denn die Baumhäuser seien ja kein Zuhause und somit müssten die Besetzer:innen nun gehen. Verlogener geht es ja kaum, und wirklich viel muss mensch dazu nicht sagen. Was im Hambi der Brandschutz (und aktuell in der Rigaer94 war und ist, ist hier hier der Infektionsschutz. Mit dem Unterschied, dass diejenigen die vorgeben zu schützen in diesem Fall das Feuer erst selber noch legen.
Zur Herrschaft der Rackets.
Die Stadt, die Oberbürgermeisterin und die Cops haben sich mit der Räumung zu Untertanen der Investoren gemacht. Sie haben deutlich signalisiert, dass das Gewaltmonopol, dass ihnen ja ach so heilig ist, doch nicht so wichtig ist – wenn es dann nur von den richtigen aus ihren Händen gerissen wird. Kapital und Staat geht es niemals um unsere Gesundheit, maximal um unsere Arbeitsfähigkeit – und wenn wir diese nicht ordentlich verwerten, dann ist selbst diese egal. Kapitalismus ist ein Todeskult.
… und der Stadt von unten.
Auf der anderen Seite hat sich gezeigt wie ein breiter, solidarischer Widerstand hier in Flensburg zusammen finden kann. Wie trotz aller widrigen Umstände, Differenz und Uneinigkeiten zusammen gestanden werden kann und den Herrschenden ordentlich in die Suppe gespuckt werden kann.
Wir hoffen, dass diese Dynamik bestehen bleibt, wir hoffen auf viele weitere Widerstandspunkte – auf das Flensburg ein Alptraum für jeden Investor und ein Utopia für uns von untenwird.
Solidarität, Respekt, Freiheit und Glück für alle Besetzer:innen und Unterstützer:innen; alle die sich auf sichtbare und unsichtbare Weise an den Protesten beteiligt haben.
Danke feinfrisch und Radio Fratz für eure unermüdliche Berichterstattung.
Nicht als Verachtung für Investoren, ihre Söldner und deren Untertanen in Stadt und Polizei!
Texte von und über die Besetzung findet ihr bei subtilus.info und aktuelle News, auch wie es nun weiter geht, findet ihr bei https://twitter.com/boomdorp
Spenden für Material und Repressionskosten können hier hin überweisen: VusEumUmseP e.V. IBAN: DE30 8306 5408 0004 0613 81 Betreff: Boomdorp (wichtig!)