OK Bookchin

Der nachfolgende Artikel von No Wing Anarchy ist eine kurze Kritik an Murray Bookchin und insbesondere an seinem Werk „Social Anarchism or Lifestyle Anarchism: An Umbridgeable Chasm“, mit welchem Bookchin jahrzehntelang versucht hat die anarchistische Bewegung zu spalten und eine Kluft zu schaffen, die vorher nicht existierte. Viele Anarchist:innen haben Bookchins falsches, unehrliches und heuchlerisches Werk kritisiert und ihn als Nicht-Anarchisten entlarvt. Der Autor Bob Black widmete dem sogar ein ganzes Buch. Die Kritiker:innen Bookchins sollten Recht behalten: Nach vielen Jahren der Sabotage gesteht Bookchin öffentlich kein Anarchist zu sein. Dennoch rufen auch heute noch viele Anarchist:innen zu „Google Bookchin“ auf.

OK Bookchin

Es gibt vielleicht keinen modernen Denker, der dem Begriff „Anarchismus“ mehr Schaden zugefügt hat als Murray Bookchin. Jenseits all der physischen Unterdrückung über die Jahrhunderte hinweg, sowohl durch Kapitalist:innen als auch Kommunist:innen, den Rechten wie den Linken, steht Bookchins Werk „Social Anarchism or Lifestyle Anarchism: An Unbridgeable Chasm“ als der bemerkenswerteste Fall von ideologischer Sabotage gegen den Anarchismus.

Selbst der Titel des Werks ist eine Lüge. Der einzige Grund, warum diese „Kluft“ existiert, ist, dass Bookchin und seine Anhänger:innen seit 20 Jahren darauf herumreiten. Darüber hinaus teilen der individualistische und der soziale Anarchismus eine lange Geschichte der gegenseitigen Duldung, wenn nicht sogar der Zusammenarbeit. Bookchin ignoriert bequemerweise die Tatsache, dass viele individualistische Anarchist:innen Mitglieder der Ersten Internationale waren, direkt neben sozialen Anarchist:innen und sogar Marxist:innen. Es mag zwischen diesen Gruppen Spannungen gegeben haben, aber es gab keine Kluft – denn es gab schlicht keine Kluft, bis Bookchin eine solche schuf.

Bookchin beginnt damit, die Geschichte des individualistischen Anarchismus durchzugehen und stellt sicher, dass sie von Anfang an als Terrorist:innen abgestempelt werden.

„Individualistische Anarchist:innen begingen Terrorakte, die dem Anarchismus den Ruf einer gewalttätigen, finsteren Verschwörung einbrachten.“

Das ist schlicht und einfach falsch, wie in dem Werk „The Anarchist Beast“ von Nhat Hong gezeigt wird. Wenn Bookchin wüsste, wovon er spricht, hätte er gewusst, dass das Bestreben, Anarchist:innen als Terrorist:innen abzustempeln, wahrscheinlich schon vor den 1880er-Jahren stark war. Ja, einige individualistische Anarchist:innen waren Terrorist:innen, aber der Anarchismus war bereits weitgehend mit diesem Label behaftet. Es waren nicht die Taten der Terrorist:innen, die dieses Label begründeten, es war die Angst der Machthabenden und ihr Bedürfnis, den Anarchismus zu diskreditieren.

„Trotz ihrer Bekenntnisse zu einer anarchokommunistischen Ideologie verblieben Nietzscheaner:innen wie Emma Goldman im Geiste auf Tuchfühlung mit Individualist:innen.“

Hier sehen wir Bookchin, wie er Nietzsche benutzt, als ob sein Name eine Art Verunglimpfung wäre, zusätzlich dazu, dass er ihn benutzt, um Emma Goldman zu diskreditieren. Goldman hat viel mehr getan, um die Anarchie in dieser Welt voranzubringen, als Bookchin es jemals getan hat, und oft war es Seite an Seite mit mehr sozial orientierten Anarchist:innen. Wo ist also die Kluft? Natürlich will Bookchin Goldman abweisen, denn schon ihr Leben widerlegt hier seine These.

„Das Zeitalter erlaubte es den Individualist:innen kaum, im Namen ihrer ‚Einzigartigkeit‘ die Notwendigkeit energischer revolutionärer Organisationsformen mit kohärenten und überzeugenden Programmen zu ignorieren.“

Bookchin bewegt sich über die 1800er und frühen 1900er Jahre hinaus und geht in der Zeit weiter, suggerierend, dass soziale Anarchist:innen in der vergangenen Zeitperiode „überzeugende Programme“ hatten. Was genau waren diese Programme? Sich mit dem stalinistischen roten Faschismus in Spanien zu verbünden und ermordet zu werden? Während individualistische Anarchist:innen sich auf kleinere Aktionen konzentriert haben mögen, endeten die größeren Aktionen der sozialen Anarchist:innen der 1930er Jahre buchstäblich im Faschismus. Ich würde das kaum überzeugend oder kohärent nennen.

„Dieses moderne Getue, die fast alle der aktuellen Yuppie-Mode folgen…“

Es ist ungefähr an diesem Punkt des Werks, an dem Bookchin seine wahnhafte Version der Geschichte aufgibt und zu bloßen ad hominem Angriffen und bloßem Jammern übergeht. Bookchin ist die letzte Person, die sich über irgendetwas beschweren sollte, das mit Mode zu tun hat! Seht euch seinen Hut an! Bookchin sieht ständig so aus, wie er denkt, wie ein Arbeiter auszusehen hat, und könnte durchaus mit einem anderen Sinn für Mode umgehen als mit seinem selbsternannten „Fließband-Chic“.

„Die 1990er Jahre sind überflutet von selbsternannten Anarchist:innen, die – abgesehen von ihrer extravaganten radikalen Rhetorik – einen neuzeitlichen Anarcho-Individualismus kultivieren, den ich Lifestyle-Anarchismus nennen werde. Seine Beschäftigung mit dem Ego und seiner Einzigartigkeit und seine polymorphen Konzepte des Widerstands untergraben ständig den sozialistischen Charakter der libertären Tradition.“

Bookchin versucht hier, den individualistischen Anarchismus als etwas von ihm Geschaffenes zu prägen, einen „Lifestyle-Anarchismus“, wenn man so will. Er behauptet, der Lifestyle-Anarchismus untergräbt den sozialistischen Charakter des Anarchismus? So soll es sein! Die sozialistische Tradition im Anarchismus ist das, was historisch dazu geführt hat, dass sich Anarchist:innen mit Sozialist:innen und Kommunist:innen verbündet haben und später von ihnen ermordet wurden. Wenn die Untergrabung dieses sozialistischen Charakters das ist, was es braucht, damit Anarchist:innen aufhören zu denken, dass linke Traditionen ihre besten Interessen im Sinn haben… Lasst es zur Untergabung kommen!

„Das Ego – genauer gesagt, seine Inkarnation in verschiedenen Lebensstilen – ist zur Wahnvorstellung für viele Anarchist:innen nach den 1960er Jahren geworden, die den Kontakt mit dem Bedürfnis nach einer organisierten, kollektivistischen, programmatischen Opposition gegen die bestehende Gesellschaftsordnung verlieren.“

Was Bookchin nicht erkennt, ist, dass diese Art von kollektivistischer, programmatischer „Opposition“ sich in der sozialen Ordnung selbst verfestigt hat. Die Massenpolitik mit ihren Programmen für sozialen Wandel ist Teil des Status quo geworden. Das System selbst hätte viel lieber Menschen, die seine Strukturen nachahmen und innerhalb seiner Regeln spielen, im Gegensatz zu den unendlich vielfältigen Formen des Widerstands, die allen Individuen in jedem Moment zur Verfügung stehen. Der Staat versteht es, mit demselben dogmatischen Widerstand umzugehen, dem er seit Jahrhunderten ausgesetzt ist. Er ist nicht auf Ausbrüche von Individualität vorbereitet, die fließend und in ihrer Tragweite unzählbar sind.

„Der Lifestyle-Anarchismus, wie der individualistische, verschmäht die Theorie.“

Ja! Das tun wir! Wir verachten diejenigen, die das Denken fetischisieren, während sie sich vor der Aktion ducken. Im Gegensatz zu Bookchin, der sein Leben damit verbrachte, Dutzende von Büchern zu schreiben, sehen Individualist:innen die Welt als ihr Pergament an, auf das sie schreiben können. Taten sind mehr als eine Million Worte wert und auch der effektivste Weg, um mehr Taten hervorzubringen. Die Menschen haben seit Jahrhunderten über dieselben Dinge theoretisiert, mit wenig Wirkung. Es waren diejenigen, die sich dazu verpflichtet haben, die Theorie in die Tat umzusetzen, anstatt sich in ihr zu versenken, die sich am stärksten gegen die Herrschaft gewehrt haben.

„Der Preis, den der Anarchismus zahlen wird, wenn er es zulässt, dass dieses Gesöff die libertären Ideale einer früheren Periode verdrängt, könnte enorm sein.“

Und hier sehen wir, dass Bookchin nicht so sehr daran interessiert ist, sich der Herrschaft zu widersetzen, sondern dass er den Anarchismus als Kontrollmethode benutzt. Wie oben bewiesen, interessiert sich Bookchin mehr für den Anarchismus als eine statische Ideologie, als für den fließenden Versuch der Menschen, sich nicht regieren zu lassen. Ihm geht es um den Anarchismus als monolithische Einheit, denn als eine singuläre und dogmatische Ideologie wird der Anarchismus zu einer weiteren Kiste, in der die Ideen der Menschen enthalten sind und dadurch die Handlungen der Menschen kontrolliert werden.

„Anstatt also die Quellen der heutigen sozialen und persönlichen Pathologien aufzudecken, erlaubt uns der Antitechnologismus, den Kapitalismus auf spekulative Weise durch Technologie zu ersetzen, die im Grunde die Kapitalakkumulation und die Ausbeutung der Arbeit als Ursache für Wachstum und ökologische Zerstörung erleichtert. Die Zivilisation, die in der Stadt als kulturellem Zentrum verkörpert ist, wird ihrer rationalen Dimensionen beraubt, als wäre die Stadt ein unvermindertes Krebsgeschwür und nicht die potenzielle Sphäre für die Universalisierung des menschlichen Umgangs…“

Bookchin versucht auch, Denkströmungen wie Primitivismus und Anti-Zivilisation anzugreifen, beweist aber eigentlich nur, dass er die Kritik, die diese Strömungen hervorrufen, nicht versteht. Anti-Zivilisations-Ideen sind im Allgemeinen nicht „Anti“-Technologie, so sehr sie auch auf Ehrlichkeit in Bezug auf Technologie bestehen. Die Technologie, die existiert, existiert aufgrund eines globalisierten Systems von Zwang. Als Anarchist:innen müssen wir diesem System gegenüber kritisch sein und verstehen, dass ohne Zwang die moderne Technologie einfach nicht existieren würde. Diejenigen, die Technologie kritisieren, wenden sich oft nicht gegen Technologie an sich, sondern gegen die Art und Weise, in der sie produziert wird. Bookchins Behauptung des „Antitechnologismus“ ist entweder ein Missverständnis oder eine absichtliche Verfälschung.

Erwähnenswert ist auch, dass Bookchin wieder einmal Primitivismus und antizivile Ideen vulgärisiert, indem er die Zivilisation mit Städten gleichsetzt. Er wagt es nicht, so etwas wie Fredy Perlmans Idee der Zivilisation als die Wurzeln aller Hierarchie anzusprechen… einfach als Herrschaft. Stattdessen zeigt Bookchin seine Feigheit, indem er antizivile Ideen mit einem Verständnis auf Meme-Ebene anspricht und diejenigen meidet, die tiefer über das Thema nachgedacht haben.

„Lifestyle-Anarchismus muss im gegenwärtigen sozialen Kontext gesehen werden, nicht nur der demoralisierten Schwarzen Ghettos und reaktionären weißen Vorstädte, sondern sogar der indianischen Reservate, jenen angeblichen Zentren der ‚Ursprünglichkeit‘, in denen Banden indianischer Jugendlicher nun aufeinander schießen, der Drogenhandel grassiert und ‚Banden-Graffiti sogar am heiligen Window-Rock-Denkmal Besucher:innen begrüßen,‘ „

Und natürlich wäre keine Schimpftirade eines alten weißen Mannes vollständig ohne einige Aussagen, die am Ende nur wie ein verwirrter Rassismus klingen. Bookchin versucht tatsächlich zu behaupten, dass der Lifestyle-/individueller Anarchismus verantwortlich ist oder mit der starken Marginalisierung von People of Color zusammenhängt?! Ich glaube, die Verantwortung liegt beim Kapitalismus und den rassistischen Strukturen, die er geschaffen hat, und nicht bei irgendeinem individualistischen Gespenst.

„Sozialer Anarchismus besteht meiner Meinung nach aus grundlegend anderem Stoff, Erbe der aufklärerischen Tradition…“

Schließlich macht Bookchin nach dem dünn verschleierten Rassismus reinen Tisch und kommt mit einem Geständnis seiner wahren Vorfahren heraus… den archetypischen „alten weißen Kerlen“ der Erleuchtung. Bookchins Anarchismus wurzelt nicht in einem einfachen Wunsch nach „keinen Herrschenden“, sondern ist eingebunden in den liberalen weißen Rassismus der Ideen der Aufklärung.

„Es beschreibt die demokratische Dimension des Anarchismus als eine mehrheitliche Verwaltung der öffentlichen Sphäre.“

Bookchin kann sich nicht von staatlichem Gedankengut befreien, als er über seine Vorstellung von Kommunalismus spricht. Bookchin hört nicht auf zu denken „Was ist, wenn die Mehrheit nichts verwalten will?“ Für ihn ist der Anarchismus nur ein weiteres Herrschaftssystem, wenn auch ein „mehrheitliches“. Für ihn geht es beim Anarchismus weniger um „keine Herrschenden“, sondern mehr um „jede:r regiert“.

„Das unabhängige, eigenständige ‚Individuum‘ war schon immer eine prekäre Grundlage für die Verankerung einer linkslibertären Sichtweise.“

Offensichtlich glaubt Bookchin nicht an irgendeine Art von „Bottom-up“-Egalitarismus, sonst würde er das Individuum nicht so schnell abweisen. Freie und ermächtigte Individuen bilden freie und ermächtigte Gesellschaften und sollten unbedingt die Grundlage der Freiheit sein. Man kann den Menschen nicht ein System aufzwingen und sie dann frei nennen, egal wie inklusiv das System ist.

„Demokratie steht nicht im Gegensatz zum Anarchismus; noch sind Mehrheitsregierung und nicht einvernehmliche Entscheidungen mit einer libertären Gesellschaft unvereinbar.“

Jede Art von Regierung… Jede Art von nicht einvernehmlicher Entscheidung ist dem Anarchismus entgegengesetzt. Auch hier zeigt Bookchin seinen Wunsch, andere im Namen der Freiheit zu kontrollieren. Er versucht buchstäblich, die eigentlichen Werkzeuge des Staates mit dem Anarchismus in Einklang zu bringen!

„Dass keine Gesellschaft ohne institutionelle Strukturen existieren kann, ist jedem offensichtlich klar, der nicht von Stirner und seinesgleichen betäubt worden ist.“

Wieder wird sein unverhohlener Etatismus entlarvt. Ist „institutionelle Strukturen“ nicht einfach ein anderer Name für „Herrschaft“? Natürlich ist es angesichts der vielen gesellschaftlichen Baupläne, die Bookchin in seinem Leben geschaffen hat, klar, dass Bookchin sich selbst an der Spitze oder zumindest als Theoretiker dieser „institutionellen Strukturen“ sah. Bookchin ist nicht in der Lage, diese Strukturen abzulehnen, weil er sie als Instrumente betrachtet, mit denen man über andere herrschen kann.

„Sicherlich ist es, meiner Meinung nach, schon jetzt nicht mehr möglich, sich selbst als Anarchist:in zu bezeichnen, ohne ein qualifizierendes Adjektiv hinzuzufügen, um sich von den Lifestyle-Anarchist:innen abzugrenzen.“

Und wieder zeigt Bookchin, dass er derjenige ist, der versucht, den Anarchismus zu verwässern, indem er versucht, ihm Qualifizierungsmerkmale und Anhängsel hinzuzufügen. Wenn der Anarchismus durch Adjektive unklar gemacht werden kann, dann kann seine wahre Bedeutung von „keine Herrschenden“ verwässert und sogar in etwas anderes verwandelt werden.

„Bloße Opposition gegen den Staat kann durchaus faschistische Lumpenproleten mit stirnerischen Lumpenproleten vereinen, ein Phänomen, das nicht ohne historische Vorläufer ist.“

Bookchin endet mit ein wenig klassistischem Flair und verwendet die gleichen Begriffe, die Marx mit Geringschätzung benutzt hat, wenn er über die Unterschichten der Menschen spricht. Bookchin, der „gute Arbeiter“, muss andere beschimpfen und züchtigen. In einem Anfall von Workerismus spielt Bookchin dann die für Linke übliche Karte aus und versinkt in Behauptungen von Faschismus, wobei er die Vorstellung, er habe jemals ein wirkliches Argument gehabt, ad acta legt.

Dieser letzte Schrei des „Faschismus!“ zeigt hier wirklich Bookchins wahre Pläne. Er ist bereit, die Drohung des Faschismus zu benutzen, um diejenigen zu erschrecken, die vom Ende des Werks nicht überzeugt werden könnten, sich zu fügen. Diese letzte Aussage illustriert perfekt den Autoritarismus, der sich als Anarchismus maskiert, den Bookchin vorlebt.

„Folge meinen ‚organisierten‘ und ‚kohärenten‘ Plänen, oder du bist ein:e Faschist:in“, schreit er.

OK Bookchin…