Ursprünglich veröffentlicht auf Indymedia Nantes, aus der englischen Übersetzung von Act for Freedom Now
Im Februar lösten die Inhaftierung des Rappers Pablo Hasél und die Unruhen in Linares in Andalusien, nachdem ein Mann und seine Tochter von Cops in Zivil verprügelt wurden, einen kurzen Moment der Revolte auf der iberischen Halbinsel, insbesondere in Katalonien, aus. Die Gründe gehen über die freie Meinungsäußerung hinaus: Hass auf die Polizei, Ablehnung der Ausgangssperre, die wirtschaftliche und soziale Situation, etc. Am Samstag, den 27. Februar, brach im Zentrum von Barcelona ein Aufstand aus: Banken und Geschäfte wurden verwüstet, Geldautomaten angezündet, es kam zu Zusammenstößen und Barrikaden gegen die Polizei und zum Anzünden eines Polizeiwagens. Auf der repressiven Ebene wurden viele verletzt, es gab etwa hundert Verhaftungen und ein Dutzend Menschen wurden inhaftiert, darunter acht Gefährt_innen, die am 27. Februar und am 1. März wegen des Abbrennens der Bullenkutsche festgenommen wurden.
Brief von Danilo:
Hi zusammen!
Ich bin Danilo, einer derjenigen, die nach der Demo vom 27. Februar verhaftet wurden. Wie viele schon wissen, schreibe ich aus Brians 1 (Martorell). Heute ist es einen Monat her, dass wir verhaftet wurden und ich wollte schon früher etwas veröffentlichen, aber ich musste mir erst ein besseres Bild von den Geschehnissen machen, sowohl für mich als auch für die anderen, sowie auch Nachrichten von außen bekommen, etc.
Davon abgesehen möchte ich mich zunächst für die sehr vielen Gesten der Solidarität bedanken, die wir erhalten haben. Viele Menschen haben sich daran beteiligt und viel gegeben, sei es materiell mit Briefen, Geld, Postkarten, Kleidung etc. oder praktisch mit Demos, Initiativen und anderem. Jeder dieser Beiträge hilft uns sehr, unsere Moral aufrecht zu erhalten und uns unterstützt zu fühlen, was hier sehr wichtig ist, wirklich danke!
Um es zusammenzufassen, für alle, die es nicht wissen, wir sind angeklagt wegen versuchten Mordes, Angriff auf die Autorität, öffentlicher Unruhe, fortgesetzter Beleidigung und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Gruppe. Kürzlich wurde der Gefährte, der beschuldigt wird, den urbana [Wanne der Stadtpolizei Barcelona] angezündet zu haben, auf Kaution freigelassen. Was an und für sich großartig ist, und wir denken auch, dass dies vielleicht ein Signal ist, dass der Fall anfängt, auseinanderzufallen.
Allerdings ist es immer sehr kompliziert, irgendetwas vorherzusagen, angesichts des absurden pathetischen Medienzirkus, zusätzlich zur Schwere bestimmter Anklagen, weshalb ich persönlich mich lieber an den Gedanken gewöhne, dass es relativ lange dauern wird, bis wir hier rauskommen. Es ist nicht so, dass ich die Idee nicht mag, ich habe nur lieber gute Überraschungen als Enttäuschungen, fange nicht an, mir über die Zeit Gedanken zu machen usw. Bis jetzt hat das für mich funktioniert, und ich kann sagen, dass ich trotz allem ruhig bin!
Was unsere Verhaftung angeht, muss ich zugeben, dass ich halluziniert habe, dass wir nicht schlimm verprügelt wurden, das ist etwas, was ich erwartet habe, als wir auf der Straße in Handschellen abgeführt wurden. Ich dachte, es sei das übliche Protokoll in solchen Situationen (ich denke immer noch so), oder vielleicht ist es die Ausnahme, die die Norm bestätigt. In Wahrheit bin ich ratlos und bin schließlich zu dem Nicht-Schluss gekommen, dass vielleicht die Tatsache, dass die Medien seit Tagen von „unverhältnismäßigen Eingriffen“, wie sie sie nannten, der Mossos [katalanische Cops] sprachen, oder dass sie neue „Märtyrer_innen“ vermeiden wollten, die den Demonstrationen Kraft geben könnten … Ich habe wirklich keine Ahnung, aber umso besser für uns!
Beleidigungen und Drohungen bekamen wir. „Wir sehen dich auf der Straße in Mataró, wenn du draußen bist, Schwein. Mal sehen, ob du uns mit Steinen bewirfst!“ Das sagte man zu mir, bevor sie uns, Luca, Albo, Hernan und mich, in Handschellen zu dem sehr schäbigen Theater brachten, das sie bei der Durchsuchung von Nabat, einem besetzten Haus, in dem einige von uns wohnten, veranstalteten, wobei die Bereitschaftscops mitten auf der Straße vor Journalist_innen posierten, bevor sie uns zurück in die Zelle brachten, pff!
Neben Saras Freilassung gibt es noch etwas sehr Positives, mit dem ich nicht gerechnet habe, nämlich dass wir alle hier in Brians 1 sind, in drei verschiedenen Modulen. Diejenigen von uns, die im gleichen Modul sind, sehen sich jeden Tag draußen im Hof (6 Stunden am Tag, 4 am Morgen, 2 am Nachmittag), während wir uns von einem Modul zum anderen schreiben und die Briefe „nur“ etwa drei Tage brauchen, um anzukommen, zusätzlich zu der Möglichkeit, Kommunikation, interne Besuche, etc. zu haben.
Das ist alles sehr gut, wir unterstützen uns gegenseitig und das hilft wirklich. Modul 4, wo Albo, Luca und ich sind, ist das ruhigste, wie sie sagen, „der Schulhof“. Die meisten sind hier wegen illegalem Handel, Diebstahl und Bullshit. Dann gibt es einige, die in anderen Modulen keinen Tag überleben würden (Sexualdelikte) und viele Spitzel, deshalb ist dieses Modul so ruhig. Einige Gefangene sind größere Wächter_innen als die Wärter_innen selbst, sogar mehr als in anderen Modulen. Bei der kleinsten Sache wird man ins Spezial- und danach in ein Konfliktmodul geschickt. Am Ende treffen wir zum Glück auch ein paar gute Leute, es könnte viel schlimmer sein.
Noch etwas, bevor ich zum Schluss komme, möchte ich meine völlige Verachtung für die Desinformationsmedien des Regimes zum Ausdruck bringen, wieder einmal sind sie an der Spitze in ihren Bemühungen, die öffentliche Meinung mit ihren Lügen, Sensationen und Bullshit zu manipulieren, die Unterdrückung zu unterstützen. Unterwürfige Aasfressende, die das Unwohlsein der anderen ausnutzen. Ist das ein Job? Sie bieten immer ein Medium, auf dem die Unterdrückungsapparate dann ihre Vergeltung aufbauen können.
Jedes Mal, wenn sie bedroht werden, versuchen sie die gleiche Geschichte zu verkaufen: hinter dem diffusen sozialen Unwohlsein und den Revolten steckt nur eine Gruppe von Verschwörenden, um exemplarisch bestrafen zu können, zwei zum Preis von einem: einerseits schlagen sie auf diejenigen ein, die mit ihren Kämpfen und Forderungen stören und andererseits versuchen sie diejenigen zu verängstigen, die daran denken, auf die Straße zu gehen, um zu protestieren. Sie geben vor, überrascht zu sein, wenn eine Menge junger Menschen in Wut explodiert und die Verantwortlichen (Cops, Journalist_innen, Banken, multinationale Konzerne, Großunternehmen) für immer prekärere und elendere Lebensbedingungen und für immer mehr erstickende soziale Kontrollsysteme benennen.
Sie geben vor, Opfer zu sein, wie es die schlimmsten Henker tun, Wölfe im Schafspelz! Ich wollte denjenigen, die uns unterstützen, klar machen, dass das meine Meinung ist, dass es mir wichtig ist. Scheiß auf die Unterdrückungsapparate und ihre Staaten! Ich werde meine Ideen nicht aufgeben aus Angst, dass sie kriminalisiert werden.
Wie auch immer, entschuldigt, wenn es zu lang ist, aber es gab eine Menge über diesen Monat zu sagen und ich wollte es nicht in einem langweiligen Telegramm- oder Kommuniqué-Stil tun.
Eine riesige Umarmung an alle! Ich hoffe, ich kann mich bald wieder bei euch melden! Und noch einmal vielen Dank für alles!
Viel Kraft und Solidarität auch für die anderen Unterdrückten in den Gefängnissen überall auf der Welt!
Freiheit für alle!
Nieder mit den Gefängnismauern
Und lang lebe die Anarchie!
Danilo
Um an Danilo zu schreiben:
Danilo Infantino
C.P. Brians 1, Módulo 4
Apartado de correos 1000
08760 MARTORELL (Barcelona)
ESPAGNE
Bis jetzt wurden unsere Briefe nur in unserer Anwesenheit geöffnet, ohne gelesen zu werden.