Feral = wild, ungezähmt, verwildert, animalisch
Wenn wir von Anarchie sprechen, meinen wir nicht ein Programm, das den Anarchismus etablieren will, sondern eine Verwirklichung der Anarchie als Negation. Wir sprechen von Anarchismus-als-Negation als einem kontinuierlichen Prozess des Kampfes gegen alles, was uns als Individuen gegenübersteht, womit wir die Gesellschaft / Zivilisation / Leviathan meinen. Hier treffen sich Grün und Pink.
Die Grüne Anarchie, oder genauer gesagt, die Anarchie, die sich gegen die Zivilisation stellt, betrachtet die Massengesellschaft als eine Ansammlung von lebensfeindlichen Systemen, die es zu überwinden und zu zerstören gilt. Die Pinke Anarchie, die aufständische Ausdrucksform von Queer, sieht sich selbst als Verkörperung des „Anderssein“.
Alle Ideologien sind Zwangsjacken für den freien Geist, aber Ideologien, die nicht das Chaos, die unsinnige Laune und das wahnsinnige Lachen des Lebens widerspiegeln – wie das Linkstum – sind besonders lästige Hindernisse für den ungehemmten Ausdruck autonomer, wilder und unzivilisierter Rebellion. Die Grüne Anarchie ist eine Analyse, die keine halben Sachen macht, die nicht in der kapitalistischen Logik gefangen bleibt und die Entfremdung, Domestizierung und jede Hierarchie an der Wurzel angreift… an ihren zivilisierten Wurzeln. Das Linkstum ist fest in die zivilisierte Ordnung eingebettet, und wenn wir gegen diese vergiftete, schreckliche Dunkelheit kämpfen, die uns in den universellen Kollaps zieht, wäre es gut, mit offenen Augen zu kämpfen.
Die Schnittmenge zwischen Grüner und Pinker Anarchie ist genau das: Anarchie, nicht Anarchismus; absolute Negation ohne Interesse an positiven Affirmationen. Queer sein und wild sein sind ein und dasselbe, da sie im Gegensatz zur Gesellschaft stehen, ständig außerhalb von ihnen als sich ständig veränderndes „Anderssein“. Eine Einheit von Wildheit und Queerness.
Neben den klassischen Beiträgen anarchistischer Publikationen wird auf Feral Fire somit ein weiterer Fokus auf (Anti-)Zivilisation gelegt, einer Thematik, in der besonders im deutschsprachigen Raum viel Nachholbedarf besteht, weil Anti-Civ generell mit Primitivismus gleichgesetzt wird und Zivilisation, der Ursprung einer jeden Hierarchie, nicht verstanden wird. Unter Anti-Zivilisation ( = Anarchie) verstehen wir nicht den Wunsch nach einer Rückkehr zum Ursprünglichen — wir können ohnehin nicht zurückkehren — sondern dem wilden Drang jede Autorität, jede Hierarchie, jede Machtstruktur an ihrer Wurzel zu packen und zu zerstören. Es reicht nicht aus, nur Staat und Kapital (und Patriarchat) zu zerschlagen, während die restlichen 90% des Lebens unberührt bleiben. Das ist verkürzte Autoritätskritik und das Ergebnis keine Anarchie.
Feral Fire wird zudem von Schwarzen Anarchist*innen betrieben und es gibt eine eigene Kategorie für Schwarzen (und Indigenen) Anarchismus. Dies ist auf keinen Fall als identitätspolitische Tendenz zu verstehen. Uns geht es viel mehr darum den Eurozentrismus im Anarchismus herauszufordern. Eurozentrismus und Modernezentrismus sind zentrale Probleme im anarchistischen Diskurs, in der anarchistische Theoretiker*innen sich in Tradition der Aufklärung sehen.
Schwarze Pirat*innen segelten im Atlantik außerhalb der Jurisdiktion des Gesetzes und bluteten Imperien um ihre Ressourcen aus. Von den Plantagen geflohene Sklav*innen gründeten auf der Suche nach Freiheit ihre eigenen Gemeinschaften. Schwarze Queers überschritten weiterhin die kolonialen Geschlechterbinaritäten, die von den Kolonisatoren auferlegt wurden. Und wir beabsichtigen nichts weniger als die vollständige Zerstörung des Leviathans.
Nieder mit den Käfigen der zivilisierten Gesellschaft. Für die wilde Anarchie.