Der nachfolgende Beitrag ist eines von 85 Artikeln aus dem Buch Schwarze Saat – Gesammelte Schriften zum Schwarzen und Indigenen Anarchismus.
Anmerkung: Im Buch befinden sich völlig unterschiedliche, und teils widersprechende, Positionen. Es werden hier alle Beiträge veröffentlicht, auch solche, deren Positionen wir nicht teilen.
Welche Art von antirassistischer Gruppe gebraucht wird
Lorenzo Kom’boa Ervin
Die Schwarze Bewegung braucht Verbündete in ihrem Kampf gegen die rassistische kapitalistische Klasse — nicht die übliche liberale oder vorgetäuschte „radikale“ Unterstützung, sondern echte revolutionäre Unterstützung und Solidarität der Arbeiter*innenklasse, von Anarchist*innen auch „gegenseitige Hilfe“ genannt. Die Basis einer solchen Einheit muss jedoch prinzipiell sein und auf Klasseninteressen beruhen, und nicht auf liberalen „Schuldzuweisungen“ oder Opportunismus und Manipulation durch liberale oder radikale politische Parteien. Die Bedürfnisse der unterdrückten Menschen müssen die wichtigste Überlegung sein, aber sie wollen echte Unterstützung, keine Vortäuschungen oder linke Rhetorik.
Die anarchistische Bewegung, die überwiegend weiß ist, muss anfangen zu verstehen, dass sie Propagandaarbeit unter den Schwarzen und anderen unterdrückten Gemeinschaften machen muss, und sie muss es nicht-weißen Anarchist*innen ermöglichen, sich in ihren Gemeinschaften zu organisieren, indem sie ihnen technische Ressourcen zur Verfügung stellt (Druck von Zines, Video- und CD-Produktion, etc.) und mit finanziellen Mitteln hilft.
Ein Grund, warum es so wenige Schwarze Anarchist*innen gibt, ist, dass die Bewegung keine Mittel bereitstellt, um People of Color zu erreichen, sie für den Anarchismus zu gewinnen — und ihnen zu helfen, sich zu organisieren. Das muss sich ändern, wenn wir wollen, dass die soziale Revolution in Amerika stattfindet, und wenn wir wollen, dass der nordamerikanische Anarchismus mehr ist als eine „Kampf für weiße Rechte“-Bewegung.
Die Art von Organisation, die benötigt wird, muss eine „Massen“-Organisation sein, die daran arbeitet, alle Arbeiter*innen im gemeinsamen Klassenkampf zu vereinen, aber sie muss in der Lage sein, die Pflicht zu erkennen, die besonderen Forderungen der Schwarzen und anderer nicht-weißer Völker als die der gesamten Arbeiter*innenklasse zu unterstützen und anzunehmen. Sie muss die weiße Vorherrschaft täglich herausfordern, sie muss rassistische Philosophie und Propaganda widerlegen und rassistischen Mobilisierungen und Angriffen entgegentreten, wenn nötig mit bewaffneter Selbstverteidigung und Straßenkämpfen. Das Ziel einer solchen Massenbewegung ist es, die weiße Arbeiter*innenklasse für eine klassenbewusste Position gegen weiße Vorherrschaft zu gewinnen, die gesamte Arbeiter*innenklasse zu vereinen und den kapitalistischen Staat und seine Herrschenden direkt zu konfrontieren und zu stürzen. Die Zusammenarbeit und Solidarität aller Arbeiter*innen ist essentiell für eine vollständige soziale Revolution, nicht nur für den privilegierten weißen Sektor.
Zum Beispiel sollte eine bestehende Organisation wie Anti-Racist Action (ARA), wenn sie eine solche Politik wie eine anarchistische Gruppe verfolgt, eine höhere Priorität in unserer Bewegung erhalten. Jede Stadt und jeder Ort sollte Kollektive vom Typ ARA haben und jede bestehende anarchistische Föderation sollte interne Arbeitsgruppen haben, die sich mit Rassismus und Polizeigewalt beschäftigen. Tatsächlich wäre die Art von Gruppe, von der ich spreche, selbst eine Föderation, um Kämpfe auf nationaler und vielleicht sogar internationaler Ebene zu koordinieren.
Dies wäre eine revolutionäre Bewegung, die sich nicht damit begnügen würde, herumzusitzen und Bücher zu lesen, ein paar Schwarze Politiker*innen oder „Freund*innen der Arbeiter*innenbewegung“ in den Kongress oder die staatliche Legislative zu wählen, Protestbriefe zu schreiben, Petitionen in Umlauf zu bringen, oder andere solch zahme Taktiken. Es bräuchte die Beispiele der frühen radikalen Arbeiter*innenbewegungen wie der IWW, sowie der Bürger*innenrechtsbewegung der 1960er Jahre, um zu zeigen, dass nur direkte Aktionstaktiken der Konfrontation und des militanten Protests überhaupt irgendwelche Ergebnisse bringen werden. Sie hätte auch das Beispiel der Rebellion von 1992 in Los Angeles, um zu zeigen, dass die Menschen sich auflehnen werden, aber es muss mächtige Verbündete geben, die materielle Hilfe und Widerstandsinfos ausbreiten, und eine existierende Massenbewegung, um den nächsten Schritt zu machen und den Aufstand zu verbreiten.
Die Anarchist*innen müssen dies erkennen und dabei helfen, eine militante antirassistische Gruppe aufzubauen, die sowohl eine Unterstützungsgruppe für die Schwarze Revolution als auch ein massenorganisierendes Zentrum ist, um die Klasse zu vereinen. Es ist sehr wichtig, den Masseneinfluss der racialen Gleichheitsbewegung den Händen des linksliberalen demokratischen Flügels der herrschenden Klasse zu entreißen. Die Linksliberalen mögen einen guten Kampf führen, aber solange sie nicht für den Sturz des Kapitalismus und die Zerschlagung des Staates sind, werden sie den gesamten Kampf gegen Rassismus verraten und sabotieren. Die Strategie der Linksliberalen ist es, das Klassenbewusstsein in ein reines Racebewusstsein umzulenken. Sie weigern sich, auf der Grundlage der materiellen Klasseninteressen an die US-amerikanische Arbeiter*innen- und Mittelklasse zu appellieren, die Rechte der Schwarzen zu unterstützen, und erlauben so der Rechten, aus den latent rassistischen Gefühlen unter den Weißen sowie aus deren wirtschaftlicher Unsicherheit unwidersprochen Kapital zu schlagen. Die Art von Bewegung, die ich vorschlage, wird in die Bresche springen und die weiße Vorherrschaft angreifen und die Fäden dessen, was den Kapitalismus zusammenhält, demontieren. Ohne den massenhaften weißen Konsens über die Herrschaft des amerikanischen Staates und das System der weißen Hautprivilegien könnte der Kapitalismus nicht in das nächste Jahrzehnt gehen!