Rasend schreitet die Zeit voran; wir sind bereits im 2. Jahr des Covid-19 Ausnahmezustands und in dem Wissen, dass keine Macht jemals freiwillig ihre neuen Kontrollmechanismen wieder abgeben wird, suchen überall auf dem Globus anarchistische und andere libertäre Bewegungen nach Strategien und praktischen Mitteln dagegen.
In manchen Regionen ist es in der letzten Zeit zu sozialen Spannungen gekommen, die sich in Unruhen entladen haben. Anderswo kommt es zu kurzzeitigen Ausbrüchen, die als Corona Riots bezeichnet werden. Als Anarchist:innen sind wir oft von den Dynamiken überrascht, befinden uns manchmal mitten im Gewühl der Straßenschlachten oder ratlos als Zuschauer:innen am Rand. Fast jeder Staat beschäftigt sich mit uns, kleinen Gruppen oder Individuen, die sabotierend, aufwieglerisch und ruhelos in den Städten unterwegs sind.
Mit dem Wunsch endlich die Schwelle vom symbolischen Widerstand zur materiellen Schädigung der gegnerischen Infrastruktur und ihrer Machtwerkzeuge zu überschreiten. Neben der direkten Konfrontation mit den Schweinen erscheint es notwendig, die einzelnen Rädchen ihrer Maschine zu identifizieren und aus dem Takt zu bringen. Anders sind die Kräfteverhältnisse nicht zu überwinden, haben sich doch Metropolen, die in den letzten Jahren häufiger von sozialen Kämpfen, Generalstreiks und Unruhen verwüstet wurden, relativ schnell wieder mit ihrer Arroganz erholt. Aber wir gleiten zu oft noch in die Beliebigkeit ab statt die schwächeren Glieder des Unterdrückungskette und ihrer Profiteure zu zerreißen.
Ausgangssperren, polizeiliche Morde, Gentrifizierung, ökologischer Terrorismus, Krieg nach Innen und nach Außen – das System gibt uns täglich Anlässe nach Zielen zu suchen, deren kontinuierliche Zerstörung irgendwann mehr sein kann, als eine Ziffer in der Bilanz oder eine Meldung in der Presse. In vielen urbanen Zentren haben sich über die Jahre traditionelle Aktionsformen gebildet, die jenseits ihrer lokalen Berechtigung unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden könnten, wie die neue anarchistische Stadtguerilla aufeinander Bezug nehmen kann um dabei die Grenzen des Kapitals zu überwinden, an die das selbige nie gebunden war.
In Santiago brennen aus fast jedem Anlass die Busse der Verkehrsbetriebe, in Athen sind es ATMs, in den französischen Banlieues fast alle Autos aber auch immer wieder die von bestimmten Firmen. In Berlin werden ebenso für fast jedes Thema Firmenautos oder Nobelkarossen abgefackelt. Europaweit gehen Funkmasten und Relaisstationen der Kommunikationsanbieter in Flammen auf. Welche Auswirkungen hätte es, würden Angriffe auf bestimmte Ziele intensiviert? Der Schaden zerstörter Datenleitungen und abgebrannter Mobilfunkmasten ist uns bekannt, aber solche Attacken sind nicht überall beliebig oft zu wiederholen. Auch die Fahrzeugflotten unserer Feinde sind schwerer zugänglich als wir es uns wünschen.
Manche Einrichtungen sind in großen Städten gut gesichert aber in kleinen Orten unbewacht. Trotzdem stehen noch ausreichend bekannte und weniger bekannte Ziele herum. Und wer liefert eigentlich die Ausrüstung an Polizei und Militär? Wer baut was? Wer arbeitet mit den Zulieferfirmen oder versteckt sich hinter einem Firmenkonsortium? Wer bewacht das alles?
Der Markt ist ständig in Bewegung, große Firmen schlucken ihre Konkurrenten, verbergen sich hinter anderen Namen, lagern bestimmte Tätigkeiten aus. Sie sammeln unsere Daten und begegnen uns mit ihren Logos überall in der Stadt, die sie als ihr Eigentum betrachten.
Weil es uns nicht reichen sollte, die um die Welt gehenden Wellen der Aufstände aus der Ferne zu verfolgen und dafür jedes mal neu nach geeigneten Solidaritätsaktionen zu suchen, schlagen wir vor, Informationen über die Feinde der Freiheit zu sammeln und so zu verbreiten, dass sie überall bekannt werden. Damit ist gemeint, nicht nur die Publikationen der militanten Szene sondern alle Mittel, wie z.B. Graffiti, Plakate, Videokundgebungen und andere zugängliche Medien zu nutzen, um diese Akteure der kapitalistischen Barbarei anzuprangern.
Um sie dann weltweit anzugreifen, sei es in Kampagnen oder aus heiterem Himmel und ohne erkennbaren Anlass. So könnte ausprobiert werden, ob Unternehmen bestimmte Regionen oder bestimmte Aufträge meiden, weil der Schaden zu groß wird. Das wäre eine strategische Linie, die bereits in europaweiten Sabotagehandlungen gegen das Mineralöl- und Erdgas-Unternehmen Shell Ende der 80er bis Mitte der 90er Jahre entwickelt wurde und sich dadurch u.a. mit dem Widerstand der Ogoni in Nigeria solidarisierte.
Oder wenn das Bedürfnis entsteht etwas gegen die Justiz in einem bestimmten Land zu unternehmen und festgestellt wird, das entsprechende Einrichtungen schwer zu treffen sind, warum nicht den privaten Knastbetreiber Sodexo angreifen, auch dort wo er sich hinter dem Namen GA Tec versteckt?
Mit einer gesteigerten Kontinuität unserer Interventionen und der Fokussierung auf die Global Player könnten ab einem gewissen Grad die Reaktionszeiten von Behörden und die Lieferzeiten von Waren und Informationen verlängert werden. Wodurch sich neue Räume für andere Angriffe ergeben werden. Dieser Vorschlag soll nicht als Ersatz für die Beteiligung an oder Provokation von Krawallen verstanden werden, und er spricht sich nicht gegen den spontanen und chaotischen Angriff auf andere Ziele aus.
Dieses Heft enthält Erklärungen zu Angriffen, die diesen Kriterien entsprechen. Um an allen Orten in jeden Konflikt eingreifen zu können, verbreiten sie Anregungen über Ziele und die Verantwortlichen, die diese Welt unter sich aufgeteilt haben. Im Anhang findet ihr einen Organisierungsvorschlag zu revolutionärer Gewalt aus Griechenland.
zum Lesen oder download https://list.noblogs.org/files/2021/07/FINALTARGETS-1.pdf
Also dann, Feuer frei auf die Feinde der Freiheit!