Entnommen aus dem Archiv vom schwarzen Pfeil. Eingereicht von freek.
Wiederholt sind in jüngster Zeit wieder Debatten darum entbrannt, ob man sich zu Angriffen auf die Herrschaft bekennen sollte oder nicht, ob es mit anarchistischen Ideen vereinbar wäre, anzugreifen ohne sich zu bekennen und sogar rund um die Frage, ob wiederholte Angriffe unter einem wiederkehrenden Namen erstrebenswert seien oder nicht. Diese oft, wie auch aktuell, polemisch geführten Debatten – was ich persönlich mehr als nachvollziehbar finde – kommen eigentlich kaum aus, ohne sich die Frage zu stellen, warum man angreift, welche Strategien, Analysen und Ziele hinter einem Angriff stecken und folglich auch wie man vermeidet, sich in einer selbstreferentiellen Praxis der „Militanz“ oder auch des „bewaffneten Kampfes“ zu verlieren.
In der folgenden Reihe möchte ich versuchen (zuegegeben selektiv nach individuellem Geschmack zusammengetragene) Debattenbeiträge um einzelne Aspekte einer Praxis des Angriffs zusammenzustellen, die in ihrer Gesamtheit einen etwas umfassenderen Blick auf eine Debatte werfen, die sich gerade dann, wenn in ihren Grundlagen sehr verschiedene Positionen aufeinandertreffen, nur polemisch ausdrücken kann. Ich will damit mitnichten zu einer Synthetisierung der widerstreitenden Positionen beitragen, sondern vielmehr einige Grundlagen dessen beleuchten, was oft zwischen den Zeilen herausgelesen werden muss, oder gänzlich unergründlich bleibt.
Dabei stellt sich freilich ein Problem, das aus der Form dieser Artikelreihe als Internetgeschreibsel resultiert: Das Internet, soweit wir es auch manchmal unseren Zwecken dienlich machen, es kapern können, ist vor allem ein Instrument der Herrschenden. Es erschafft nicht nur eine virtuelle Parallelwelt, in der Unmut effizienter in Protest, manchmal sogar in bloßen Konsum, anstatt in lodernde Wut, in realen Widerstand, in Angriff und Aufstand verwandelt wird, als dies mit den meisten anderen Methoden der Befriedung erreicht werden kann, sondern zugleich ist es auch Denunziant. Jede Debatte, die im Internet geführt wird, sollte sich der Problematik bewusst sein, dass die darin transportierten Informationen, Analysen, Strategien und Taktiken auch unseren größten Feind*innen preisgegeben werden. Auch außerhalb des Internets lässt sich dies freilich nicht gänzlich vermeiden, aber wo Maschinen automatisiert Texte durchforsten und nach ihrer Relevanz zu einem Thema einordnen, Bullenschweine von ihrem Schreibtisch aus lesen können, anstatt sich wenigstens ins Feindesgebiet vorwagen zu müssen, um an ihre Lektüre zu kommen, und offenbar völlig gehirnamputierte Social-Media-Trolle und -Hobbybullen einen Teil der Arbeit ihrer waffentragenden, bezahlten und realen Kollegen übernehmen, ist die Gefahr freilich ungleich größer. Man könnte also sagen, eine Debatte über Angriff hat in den Untiefen des Internets nichts verloren und ich wäre geneigt, dem zuzustimmen, würden nicht zahlreiche Materialien dazu dort bereits existieren und existiert haben – was bedeutet, dass sie noch immer ins kybernetische Hirn dieser weltumspannenden, gesichtslosen Maschine eingebrannt sind. Ich werde im folgenden also ausschließlich Debattenbeiträge zusammenstellen, die dem Denunziant Internet bereits bekannt sind, mit dem Risiko, sie dem kybernetischen Repressionsapparat vielleicht präsenter in Erinnerung zu rufen.
Sei es, wie es ist, hier folgt also nun mein Versuch, das Internet – oder wenigstens einen bescheidenen Teil – zu kapern, um genau zu jenen Angriffen beizutragen, die auch nach seiner Zerstörung trachten.
P.S. Es gibt neben jenen, die sich um die Modalitäten des Angreifens streiten, natürlich auch jene selbstgerechten und zahnlosen „Anarchist*innen“, die den Angriff entweder zu einem patriarchalen Reflex, zu einem politisch unliebsamen Hinderniss für die Organisierung der Massen oder zu einem angesichts der von ihnen und ihren Organisationen anvisierten Revolution im Jahre 3087, dem Jahr, in dem die Singularität das letzte Individuum ausgelöscht haben wird und folglich per algorithmischen Routinen das, was sie oft Kommunismus nennen, eintrete, bedeutungslosen Zappeln von sich dem Fortschritt verweigernden Delinquenten, verklärt wird. Jenen „Anarchist*innen“ sei an dieser Stelle in aller Höflichkeit empfohlen, ihre Klappe zu halten und sich um ihre eigenen Belange zu kümmern.