Gegen die „Bürde der Kolonisator*innen“: Klimagerechtigkeit bedeutet antikolonialen und antikapitalistischen Kampf

Aus dem Englischen, von Indigenous Action, Herbst 2021,
Übersetzt von Anonym, ursprünglich eingereicht bei Schwarzer Pfeil und dem Archiv entnommen

Globale Erwärmung ist eine direkte Folge des Krieges gegen Mutte Erde.

Solange grundlegende Ideologien und Strukturen, die diese Krise verursachen, nicht konfrontiert und beseitigt werden, verdammen wir uns selbst und zukünftige Generationen zur Nicht-Existenz. Die «Big Green» non-profit Unternehmen und so genannte Nicht-Reigierungs-Organisationen (selbst Indigene) haben die Bedingungen für Dissens und Triage dieser Krise, mit der Behauptung der Weitsichtigkeit, in der wir angeblich eine bessere Zukunft vor uns sehen können, auf eine Weise festgelegt, die sich als oberflächliche und kurzlebige Fata Morgana offenbart, die uns das unvermeindliche Ende unserer eigenen Auslöschung oder eine Existenz in einer trostlosen und dezimierten Höllenlandschaft entgegenbläst – was sonst kann von einer Reihe immergleichen, vorgefertigten Taktiken erwartet werden, die uns im Kreis marschieren lassen?

Angesichts der tatsächlich tödlichen, sogar existentiellen Krise, mit der die gesamte Erde und die von ihr abhängigen und von ihr lebenden Arten konfrontiert sind, scheitern die derzeitigen Taktiken von gewaltlosem Zivilen Ungehorsam genau weil diejenigen die sie anwenden, durchwegs die Dringlichkeit der Katastrophe am Horizont missverstehen und die Sicherheit einer positionellen, taktischen, analytischen, strategischen und strukturellen Halbherzigkeit als «Protest» umarmen, der sich materiell als eine ausgeschmückte Duldung in Form von kontinuierlich zunehmender symbolischer Proteste und Abenteuern in der Komfortzonenpolitik eines Marsches zur Katharsis äussert, als ob dies das Schmelzen von Gletschern, und die Auslöschung ganzer Arten beenden würde.

Dieses gescheiterte Posieren von so genanntem «Schutz», «Erhaltung», und Anhäufung von «politischer Macht» (Lobbyismus) dient stattdessen der Festigung des Staates und dessen Gewaltmonopol viel mehr als es diesen herausfordert. Dahinter kann nur eine Psychologie vermutet werden und dies ist eine von kreativer Erschöpfung und konzeptioneller Blindheit oder ganz einfach eine Zurückhaltung, die auf der Angst beruht, als «alarmistisch» oder «zu radikal» abgestempelt zu werden. Während fast die gesamte neoliberale Umweltbewegung für Klimagerechtigkeit (und ohne Zweifel ist sie neoliberal oder bedeutet Grüner Kapitalismus und Grüne Wirtschaft etwas anderes?) für die absolute Notwendigkeit eines radikalen Wandels Alarm schlägt. In unserem Fall, als Indigene Völker, haben wir dies schon zu Zeiten vor Kolumbus betont, gegenüber einander, und gegenüber den Siedler*innen, als wir sie daran erinnerten, dass du Geld nicht essen kannst.

Die Taktiken der Klimagerechtigkeitsbewegung sind insoweit begrenzt, als sie sich im Wesentlichen in einer Form von aggressiver Lobbyarbeit (auf nationaler und internationaler Ebene) äussern. Aber wir können nicht viel mehr erwarten, wenn sie mit Strategien hantieren, die auf Schadensbegrenzung durch politische und wirtschaftliche Reformen gegenüber genau den Menschen, Kräften, Mächten, Interessen und Institutionen beruhen, die diese Krise überhaupt erst verursacht haben. Auch wenn systemische Probleme wie Kapitalismus und Kolonialismus in Pressemitteilungen angesprochen werden und auf Transparenten auf den Strassen geschrieben stehen, beruhen die zugrundeliegenden strategischen Ziele auf der Neukonfiguration der herrschenden Gesellschaftsordnung hin zu einem ökologischer orientierten, umweltbewussten Nationalstaat, gegen die totalisierende, allumfassende Kraft des kapitalistischen Kolonialismus und Imperialismus. «Gerechter Übergang» ist eine Strategie der wirtschaftlichen Erlösung, um Lebensweisen, die von vornherein untragbar sind weiterhin aufrechtzuerhalten. Du kannst Kapitalismus und Kolonialismus nicht mit Lobbyarbeit abschaffen, egal wie sehr du es auch versuchst.

Die Grüne Wirtschaft [Green Economics] ist wie deren Vorfahrin, die Grüne Reform [Green New Deal], dazu bestimmt, das koloniale US-Siedler*innen Projekt und die kapitalistischen Verhältnisse aufrechtzuerhalten, deren ausgeprägten Interessen darin bestehen, die fortlaufende «Ausbeutung» (Zerstörung) der gesamten Welt fortzuführen, und dabei natürlich einzukassieren. Im Fall der Grünen Reform, die in vielerlei Hinsicht ihre eigene Nachfolgerin erzeugt hat, nämlich die Rote Reform [Red New Deal], die nicht nur die langjährige Indigene Klimagerechtigkeitsarbeit plagiiert, vorgibt und kooptiert – der «Roten Nation» ihre «Rote Reform» schlägt ein antikapitalistische und elends begrenzte antikoloniale Antwort vor, die nicht nur die Industrialisierung verstärkt, sondern schlussendlich zur fortwährenden Teilnahme am Kapitalismus selbst führt, nur «neu benannt» und «reformiert» unter einer sozialistischen «Übergangsrubrik», führt sie zu den Vorschlägen ihrer marxistischen Organisationen mit einem «dekolonisierten» autoritären Arbeiter*innenstaat als beste Lösung.

Während wir also kollektiv an der Luft sterben, die wir nicht atmen können, am Wasser, das wir nicht trinken können, oder an beidem, das im Hier und Jetzt unerschwinglich ist, sollen wir auf den Bau einer weiteren sozialistischen Utopie warten. Eine Utopie, die auf der derzeitigen Dystopie wachsender Ödnis und Klimakatastrophen auf allen Kontinenten aufbaut. 
Von der tödlichen Atomkraft über den Abbau von Lithium und seltenen Erden bis hin zur Privatisierung von Wasser – das greening, die Ökologisierung jeder Wirtschaft ist immer noch ein Krieg gegen Mutter Erde und die gesamte Existenz. Aber ja, sicher «können wir den Übergang und unseren Ausweg aus dieser Situation programmieren», du kannst es nicht. Dies ist keine Lösung, es ist noch nicht mal eine Intervention, geschweige denn ein Verbot von Globalem Katastrophen Kapitalismus, das ist Gruppenfantasiedenken. Es ist ein beschleunigter Tod durch Selbstmord.

Wir wollen keinen umweltfreundlichen Siedler*innenkolonialstaat, wir wollen seine gesamte Existenz abschaffen.

Die vorderste Reihe der Indigenen Klimagerechtigkeitsgruppen missionieren ein Narrativ ihrer eigenen Opferrolle, in einer Form, die die Finanzierungsströme ihrer non-profit Unternehmen erhöht, um ihre aufgeblasenen Gehälter und Protestaktionen gegen den Klimawandel zu finanzieren, auch bekannt als PR-Stunts mit einem juristischen Team auf Abruf. All das, während sie um das Rampenlicht konkurrieren und mit Prominenten mobilisieren, um organisatorische Anerkennung und eine Homogenität von populären Zielen aufzubauen, von der Standardisierung der routinemässigen taktischen und strategischen Stagnation ganz zu schweigen.

Die Behauptung, dass wir 80% der Biospähre der Welt schützen, wurde zu einer Abwandlung der kolonialen Idee von der «Bürde des weissen Mannes», doch hier wird sie lediglich zur «Bürde der Kolonisierten» verschoben. Das ist die perverse koloniale Logik von Klimaaktivismus: unsere Lebensweisen und unsere komplexen, andauernden Kämpfe auf Kampagnen-Gesprächspunkte zu reduzieren, nur um zu beweisen, dass wir «einen Platz am Tisch» verdient haben, das ist «Veränderung» durch Arithmetik, über bessere Selbstvermarktung, Markenführung und Werbung. Durch Zeremonie und eine Unzahl von taktisch dynamischen direkten Aktionen schützen wir alle Existenz – nicht nur Prozente. Unsere Kraft lässt sich nicht am Tisch der Kolonisator*innen finden, sie ist in dessen wohlgenährten Flammen zu finden und wieder zu entfachen.

Mit der Berechnung, dass Indigener Widerstand gegen 20 Projekte zur Nutzung fossiler Brennstoffe Kohlenstoffemissionen «gestoppt oder verzögert» haben, die etwa 25 % der jährlichen Gesamtemissionen der U$A und KKKanadas entsprechen, zeigen die Klimaaktivist*innen die Kraft direkter Aktionen auf, weisen ihren Kampagnen aber auch mehr Anerkennung zu, als ihnen gebührt.Vor allem, wenn sie in ihren Berichten bedeutende Verluste wie die DAPL- und Line 3-Projekte anführen, tendiert diese Statistik zu einem verblendeten Klimaoptimismus, den wir als einen Weg voller Gefahren und Tod betrachten. Wenn wir nicht ehrlich mit und über die Schwächen unserer Bewegungen sind, wie können dann Veränderungen in der Taktik, und noch wichtiger, Anpassungen unserer Gesamtstrategien, gegen Ende von noch weiteren verändernden Statistiken von Bedeutung sein?

Es klingelt wie eine unehrliche Verkaufsmasche und umgeht die wichtigen Gespräche darüber, was tatsächlich funktioniert, um eine Klimakatastrophe aufzuhalten. Es bietet zudem immer noch einen Ermessensspielraum, der erlaubt die Verhinderung des Klimawandels und der damit zusammenhängenden desaströsen Katastrophen als «optional» zu bezeichnen. Nicht existentiell notwendig, was es eigentlich ist. Jede auf diesem Planeten lebende Art ist buchstäblich vom Aussterben und der Massenzerstörung bedroht. Wir sind nicht davon überzeugt, daraus ein Zahlenspiel zu machen, bei dem es darum geht, den Unterbruch von 25 % einer Industrie zu feiern, wenn wir über 98 % der Schlachten in einem Krieg mit so hohen Einsätzen verloren haben. Besonders, wenn diese Aktivist*innenkampagnen Hunderte von Millionen Dollar ausgegeben haben und Tausende unserer Verwandten inhaftiert sind und durch rassistische Gerichtssysteme geschleift werden.

Wir sind nicht (gänzlich) Pessimist*innen, wir wollen ehrliche Gespräche darüber führen, was funktioniert und was nicht. Die Krise ist dringend und die Lage verzweifelt. Sie ist nicht «bevorstehend», die Krisen sind hier, jetzt, überall und jederzeit. Wenn wir die Schwächen ignorieren und die Lektionen die wir daraus ziehen können, herunterspielen oder ignorieren, wie können wir Strategien und Taktiken verändern und wachsen lassen, so dass sie effektiver sind?

Es liegt nicht in unserer Verantwortung unhaltbare Formen der Existenz aufrechtzuerhalten. Es IST in der Tat unsere Verantwortung, sie zu vernichten. Ihre Aufrechterhaltung als «Nachhaltigkeit» ist die vermeintliche Bürde der gegenwärtigen Bewegung für Klimagerechtigkeit, diejenige, die einen radikalen Wandel in und für sich selbst dringend benötigt, die als Projekt zur «Bürde der Kolonisator*innen» wurde, aufgebaut auf dem fortdauernden Völkermord an den Kolonisierten, bis zum Anfang, vor mehr als über 500 Jahre zurück, nachhallend. Wenn wir keine Feind*innen von Mutter Erde sein wollen, liegt es an uns, unsere Verantwortung, Gegenseitigkeit und Gemeinsamkeit gegenüber der Erde zu verändern, wahrzunehmen und entsprechend zu handeln. Dies bedeutete schon immer, dass wir die Durchsetzung der Wege unserer Vorfahr*innen durch spirituelle und praktische Interventionen anstreben (vom Anbau von Nahrungsmittel bis zum Abbrennen ihrer Festungen und allem, was dazwischen liegt). Es ist die Kontroverse zwischen Harmonie und Disharmonie die uns in dieser Welt schon immer herausgefordert hat.

Um diese Minen, Kraftwerke, Dämme und Pipelines vollständig zu stoppen, müssen wir die politische Maschinerie und die Systeme, die sie hervorbringen, an deren Wurzel stoppen.

Unsere Kraft liegt nicht im Rampenlicht, wo noch mehr Möchte-Gern-Kommentator*innen um Anerkennung verhandeln und für den kolonialen Blick auftreten. Sie beschränkt sich nicht auf Wörterbegrenzungen in den sozialen Medien oder auf das Schreien durch ein Megaphon an einem genehmigten Marsch. Unsere Kraft liegt in den Schatten der Flammen, die dieses System bis auf den Grund niederbrennen, währenddem wir ein weiteres Streichholz anzünden.