Der nachfolgende Beitrag ist eines von 85 Artikeln aus dem Buch Schwarze Saat – Gesammelte Schriften zum Schwarzen und Indigenen Anarchismus.
Anmerkung: Im Buch befinden sich völlig unterschiedliche, und teils widersprechende, Positionen. Es werden hier alle Beiträge veröffentlicht, auch solche, deren Positionen wir nicht teilen.
Was ist Panafrikanismus?
Saint Andrew
Lasst uns über den Panafrikanismus, seine Geschichte, seine Gegenwart, seine Kritik und seine Zukunft sprechen.
Was ist Panafrikanismus?
Viele Bücher wurden zum Thema Panafrikanismus geschrieben und es wurde viel Zeit darauf verwandt, eine Definition auszuarbeiten. Manche Autor*innen machen sich gar nicht erst die Mühe, den Begriff zu definieren, sondern räumen ein, dass er für verschiedene Menschen zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Dinge bedeutet hat. Ich werde hier nur einige der vielen unterschiedlichen Ansichten darüber vorstellen, was Panafrikanismus ist und wie er aussehen sollte, also ziehe deine eigenen Schlüsse. Trotzdem wollen wir es mal mit der Definition versuchen.
Der Panafrikanismus beruht auf der Überzeugung, dass alle Völker afrikanischer Abstammung eine Nation sind. Nicht im Sinne eines Nationalstaates, sondern in dem Sinne, dass alle Völker afrikanischer Abstammung, sowohl auf dem Kontinent als auch in der Diaspora, eine gemeinsame Geschichte, ein gemeinsames Ziel und ein gemeinsames Schicksal haben. Dieses Schicksal ist ein vereintes und unabhängiges Afrika als Grundlage für die Befreiung. Als Ideologie und Bewegung fördert der Panafrikanismus die Solidarität und Einheit für den ökonomischen, sozialen, kulturellen und politischen Fortschritt und die Emanzipation und letztlich zur Erhebung aller Völker afrikanischer Abstammung.
Panafrikanist*innen setzen sich gegen die Ausbeutung und Unterdrückung aller Menschen afrikanischer Herkunft ein, bekämpfen die Ideologien des antiafrikanischen Rassismus und feiern afrikanische Errungenschaften, die Geschichte und das Afrikanischsein an sich. Die meisten Panafrikanist*innen waren im Laufe der Geschichte auch Sozialist*innen verschiedener Couleur, die den Kapitalismus als Feind der Befreiung betrachten, und kommunale Beziehungen, wie sie in vorkolonialen afrikanischen Gesellschaften herrschten, als Notwendigkeit ansehen.
Der Panafrikanismus ist eng mit dem Schwarzen Nationalismus verbunden, der sich um die soziale, politische und ökonomische Ermächtigung der Schwarzen Gemeinschaften dreht. Die Nation wird hier nicht durch Grenzen definiert, sondern durch Menschen, die durch gemeinsame Erfahrungen verbunden sind, vor allem um sich gegen die westliche Vorherrschaft zu wehren und Schwarze Kulturen und Identitäten zu bewahren. Es ist völlig getrennt vom weißen Nationalismus, der diesen Namen erst Jahrzehnte später angenommen hat und untrennbar mit der weißen Vorherrschaft verbunden ist.
Wer sind also einige dieser Denker*innen, Führenden und Politiker*innen, die zum Panafrikanismus beigetragen haben? Da wären Toussaint Louverture, Julius Nyerere, Kwame Nkrumah, Thomas Sankara, Marcus Garvey, C.L.R. James, Kwame Ture, Malcolm X, W. E. B. Du Bois, Frantz Fanon, Aimé Césaire… ich könnte noch mehr nennen. Es wäre schwierig, all diese Menschen als in einem Ziel vereint zu bezeichnen, da ihre Ideen oft sehr unterschiedlich waren. Dennoch haben sie alle in gewisser Weise die metaphorische Flagge des Panafrikanismus gehisst.
Der Panafrikanismus hat eine ziemlich schicke Flagge. Das Rot steht für das Blut, das alle Menschen afrikanischer Abstammung vereint und das für die Befreiung vergossen werden muss, das Schwarz steht für die Schwarzen als Nation, die durch ein gemeinsames Erbe vereint sind, und das Grün steht für die üppige Fülle des afrikanischen Reichtums. Um den Panafrikanismus zu verstehen, brauchst du ein wenig Hintergrundwissen über die Geschichte der afrikanischen Völker, das ich hier in groben Zügen wiedergebe.
Eine kurze Geschichte der afrikanischen Völker
Afrika ist der genetisch vielfältigste Kontinent der Welt und die Wiege der Menschheit. Von hier aus haben sich die verschiedenen Völker über die ganze Welt verteilt und sich ihren eigenen Raum geschaffen. Afrika hat ein jahrtausendealtes Erbe an Nationen, Königreichen und Kulturen, die aufstiegen, untergingen, innovativ waren, sich ausbreiteten und mit der Welt teilten. Afrikaner*innen haben im Laufe der Geschichte zur Entwicklung von Mathematik, Astronomie, Medizin, Architektur, Philosophie und vielem mehr beigetragen. Selbst nach dem Kolonialismus gibt es in Afrika über 3000 ethnische Gruppen. Ich verwende den Begriff Stamm übrigens nicht, weil er historisch gesehen dazu benutzt wurde, komplexe Gesellschaften, die von Europäer*innen als primitiv angesehen wurden, abzutun.
Vor der Kolonialisierung gab es keine gemeinsame panafrikanische Identität auf dem Kontinent. Wie sollte das auch gehen? Sie hatten nicht alle die gleiche Religion, Sprache oder Kultur. Die Khoisan-Völker in Südafrika hatten wenig mit den Songhai in Westafrika oder den Habesha in Ostafrika gemeinsam. Afrika ist riesig, und selbst Menschen, die direkt nebeneinander lebten, hatten sehr unterschiedliche Lebensstile, Praktiken und Barrieren, die sie voneinander trennten.
Es ist also keine Überraschung, dass der Sklav*innenhandel im Atlantik, angefangen mit den Portugiesen, zu einem wahren Wahnsinn wurde. Afrikaner*innen wurden gekidnappt und in die Sklaverei verkauft, oft von afrikanischen Landsleuten. Königreiche und Nationen, die die Sklaverei förderten, wurden schnell selbst versklavt. Der brutale Appetit auf mehr ausbeutbare Arbeitskräfte auf dem amerikanischen Kontinent wuchs. Mindestens 12 Millionen Afrikaner*innen wurden nach Amerika verschleppt, Millionen weitere starben bei diesem großen Verbrechen, und in der Karibik, in Brasilien, in den Vereinigten Staaten und anderswo wurden neue Nationen gegründet. Es war die größte Zwangsmigration in der Geschichte der Menschheit. Es gab auch den Transsahara-Sklav*innenhandel, der oft aus dem Diskurs über die Versklavung der Afrikaner*innen ausgeklammert wird, da seine Folgen weder von der Größe noch vom Ausmaß her vergleichbar sind, aber ich finde es trotzdem wichtig, ihn zu erwähnen.
Durch den atlantischen Sklav*innenhandel und die anschließende zermürbende und unmenschliche Behandlung in den beiden Amerikas wurden die verschiedenen Völker Afrikas ihrer ursprünglichen Kulturen beraubt und zum ersten Mal zusammengeführt. Die afrikanische Diaspora begann sich zu vereinen und eine eigene Identität zu entwickeln. In der Zwischenzeit wurde Afrika von konkurrierenden und kollaborierenden europäischen Mächten kolonisiert und aufgeteilt, die alle nach dem Reichtum des Kontinents gierten. Auf der Berliner Konferenz wurden Grenzen und Trennungen gezogen, die den Kontinent bis heute schwächen.
Seit der ersten transatlantischen Sklav*innenreise sind fast 500 Jahre vergangen. Seitdem haben wir als Volk weder Frieden noch Gerechtigkeit gekannt. Die Entstehung unserer Diaspora ging einher mit dem Aufkommen des globalen Kapitalismus, der europäischen Vorherrschaft und des anti-Schwarzen Rassismus. Rassistische Ideen wurden geschmiedet, um die wirtschaftlichen Motive der Eliten zu unterstützen, und auch heute noch halten viele an der Vorstellung von der Minderwertigkeit der Afrikaner*innen fest, die ihre Einstellung zu unseren Verhältnissen (falsch) prägt. Wir leiden immer noch unter der Auslöschung und Unterdrückung unserer Geschichte und unseres Erbes. Unsere Arbeit hat den Reichtum des globalen Nordens geschaffen und tut dies auch weiterhin. Wir wurden nicht nur von den europäischen, sondern auch von den arabischen und asiatischen Mächten ausgebeutet, und unsere Versklavung hält bis heute auf der ganzen Welt an. Unser Land wurde gestohlen und wir wurden aus unserem Land gestohlen. Man hat uns die Autonomie verweigert, uns unsere Rechte verweigert und uns unsere Menschlichkeit abgesprochen.
Die historische Antwort der afrikanischen Völker war der Panafrikanismus, ein Fluss mit vielen Strömen und Strömungen. Im Folgenden will ich einige der wichtigsten Denker*innen und Bewegungen der letzten Jahre diskutieren.
Die Geschichte des Panafrikanismus
Vor dem 19. Jahrhundert
Im späten 18. Jahrhundert war der Sklav*innenhandel in vollem Gange. Doch schon damals setzten sich Abolitionist*innen für sein Ende ein. Eine der berühmtesten dieser abolitionistischen Gruppen waren die Sons of Africa, die sich aus gebildeten, ehemals versklavten afrikanischen Menschen in London zusammensetzten. Es war die erste Schwarze politische Gruppe in Großbritannien und wurde als eine der ersten panafrikanischen Organisationen bezeichnet. Die Sons of Africa schrieben Briefe an die Presse, betrieben Lobbyarbeit im Parlament, wandten sich gemeinsam an die Quäker [Religiöse Gemeinschaft der Freunde] und arbeiteten mit anderen Abolitionist*innen und Radikalen zusammen, um sich gegen den Menschenhandel mit Afrikaner*innen und für die Rechte aller einzusetzen. Zu den namhaften Mitgliedern gehörten Olaudah Equiano, der seit seiner Kindheit Sklave war und zweimal verkauft wurde, bevor er seine Freiheit erlangte, und Ottobah Cugoano, der im Alter von 13 Jahren in die Sklaverei verkauft wurde und schließlich von einem britischen Kaufmann gekauft, ausgebildet und freigelassen wurde.
19. Jahrhundert
Der wohl existenzbedrohendste Moment für die europäischen Reiche im frühen 19. Jahrhundert war der Erfolg des Sklav*innenaufstands in Haiti. Die haitianische Revolution, die u. a. von Toussaint Louverture angeführt wurde, begann 1791 und endete 1804 und war die erste und einzige Staatsgründung durch einen Sklav*innenaufstand. Er stellte die lang gehegten europäischen Überzeugungen über die Intelligenz und die Fähigkeit versklavter Völker, ihre eigene Freiheit zu erlangen und zu erhalten, in Frage. Während Haiti nach der Revolution mit Attentaten, Embargos und erheblicher Besteuerung durch Frankreich und einer stark segmentierten „farbbasierten“ Klassengesellschaft zu kämpfen hatte, war das, was die Haitianer*innen aufbauten, auch nach der Emanzipation ein Leuchtfeuer der Hoffnung für Afrikaner*innen überall. Haiti wurde zu einem sicheren Hafen für entlaufene Sklav*innen, Revolutionär*innen und alle, die unterdrückt wurden.
Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts begannen frühe Denker wie Alexander Crummel, Martin Delany und Edward Blyden, den Grundstein für ein umfassenderes panafrikanisches Denken zu legen. Alexander Crummel, der 1819 frei geboren wurde, war einer der ersten Schwarzen Nationalisten und setzte sich für Solidarität und ökonomische Entwicklung ein. Martin Delany, der 1812 frei geboren wurde, forderte „Afrika für Afrikaner*innen“. Er war der Meinung, dass Schwarze in den Vereinigten Staaten keine Zukunft haben und auswandern sollten, um anderswo eine neue Nation zu gründen, zum Beispiel in der Karibik oder in Südamerika. Er kritisierte rücksichtslos so viele Personen, Ideen und Institutionen, dass er gemäßigte Abolitionist*innen verprellte. Er war auch gegen die raciale Segregation und bekannt für seinen tief sitzenden Stolz auf sein eigenes Volk. Edward Blyden schließlich, der 1832 frei geboren wurde, setzte sich für eine Rückkehr nach Afrika ein, um beim Wiederaufbau des Kontinents zu helfen. Er war einer der ersten, der den Begriff der „Afrikanischen Persönlichkeit“ formulierte.
Viele ihrer Ideen und Handlungen würden heute als veraltet oder schlichtweg als falsch angesehen werden. Nichtsdestotrotz sollten die Werke und Ideen dieser drei Männer unzählige zukünftige Panafrikanist*innen inspirieren.
Die 1900er-1920er Jahre
Der Panafrikanismus nahm mit dem Beginn der ersten panafrikanischen Konferenz in London im Jahr 1900 wirklich Gestalt an. Sie wurde von dem trinidadischen Anwalt Henry Sylvester Williams organisiert. Es nahmen 37 Delegierte und 10 weitere Teilnehmende aus der ganzen Diaspora teil. Ein bemerkenswerter Teilnehmer war W.E.B. DuBois, der eine führende Rolle bei der Abfassung eines Briefes an die europäischen Staatsoberhäupter spielte, in dem er sie aufforderte, gegen Rassismus zu kämpfen, den Kolonien in Afrika und Westindien das Recht auf Selbstverwaltung zu gewähren und politische und andere Rechte für Afroamerikaner*innen zu fordern. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass Schwarze aus allen Teilen der Welt zusammenkamen, um die Lage ihrer Race zu diskutieren und zu verbessern. Nach der Konferenz wurden in Jamaika, Trinidad und den USA Sektionen der Pan-African Association gegründet. Später trafen sie sich unter dem Banner des Panafrikanischen Kongresses. Dazu später mehr.
Kommen wir zu einer kontroversen Figur, dem sogenannten „Neger mit Hut“: Marcus Garvey. Er gründete die Universal Negro Improvement Association (UNIA). Der 1887 in Jamaika geborene Garvey war ein Schwarzer Nationalist in der panafrikanischen Szene, der sich für racialen Stolz und den Aufbau von Institutionen für die afrikanische Diaspora einsetzte. Richtiger wäre es jedoch, ihn als diktatorischen Schwarzen Separatisten zu bezeichnen, denn er stellte sich ein vereintes Afrika als Einparteienstaat vor, der von ihm selbst regiert wird und der Gesetze erlässt, um die raciale Reinheit der Schwarzen zu gewährleisten. Er glaubte, Amerika sei ein Land für Weiße und bezeichnete sich selbst als den ersten Faschisten und Schwarzen Kapitalisten. Obwohl er keine Ahnung von der Vielfalt Afrikas hatte, es für rückständig hielt und den Kontinent nie selbst besuchte, war er ein großer Befürworter der Back-to-Africa-Bewegung und leitete die Schifffahrts- und Passagiergesellschaft Black Star Line, um Amerikaner*innen nach Liberia zu bringen. Er verherrlichte viele westliche Ideen und verlieh prominenten Unterstützenden sogar britische Titel wie „Lord“ und „Knight“. Er wurde wegen Postbetrugs verurteilt und beschuldigte jüdische Menschen, sich gegen ihn verschworen zu haben, weil — halt dich fest — er mit dem Ku-Klux-Klan zusammenarbeitete. Er war zutiefst antisozialistisch, gegen die raciale Mischung und gegen die raciale Integration. Seine Organisation hat die panafrikanische Flagge entworfen, aber natürlich hat er viele panafrikanische Denker*innen entfremdet, weil seine Ideen so sehr von denen der anderen abwichen.
Ein Denker, mit dem er häufig aneinandergeriet, war der 1868 geborene William Edward Burghardt Du Bois, der Garvey als „Volksverhetzer“ bezeichnete, den er nach Kräften zu ignorieren versuchte. Tatsächlich schienen sie sich gegenseitig zu hassen. Du Bois wird eher als Vater des Panafrikanismus anerkannt, obwohl er mit dem unglücklichen Titel „Pan-Negroismus“ begann. Im Laufe seines Lebens trug er zu einer Vielzahl von Ideen bei, darunter der Schwarze Existenzialismus, und setzte sich konsequent für das Studium der afrikanischen Geschichte ein. Er gründete die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) und war ein glühender Verfechter der Gleichberechtigung. Er gehörte zu den ersten Afroamerikanern, die auf die kolonialen Verhältnisse in Afrika hinwiesen, und war ein entschiedener Gegner von Garveys Vorstellung einer afroamerikanischen Herrschaft über Afrika. Du Bois erkannte auch die tiefen Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und Rassismus und glaubte, dass der Sozialismus ein besserer Weg zur racialen Gleichheit sein könnte. Wegen seines Lobes für Karl Marx und seiner kommunistischen Sympathien wurde er aus der NAACP ausgeschlossen. Später in seinem Leben floh er aus den USA und fand unter der Führung von Kwame Nkrumah Zuflucht in Ghana. Er starb einen Tag vor Dr. Martin Luther Kings Marsch auf Washington 1963, den er selbst 60 Jahre zuvor zu organisieren versucht hatte.
Die 1920er-1940er Jahre
In den 1920er, 30er und 40er Jahren kam eine ganze Welle von Denker*innen und Ideen in den Schoß der Bewegung. Die Entwicklung und Verbreitung panafrikanischer Ideen sollte sich noch weiter ausbreiten und hatte einen enormen Einfluss auf die Harlem Renaissance der 1920er Jahre, die Du Bois mit gefördert hatte. In dieser Zeit fanden die ersten vier panafrikanischen Kongresse statt. 1919 in Paris, 1921 in London, 1923 erneut in London und 1927 in New York City.
Auf dem ersten Kongress waren 57 Delegierte aus 15 Ländern anwesend, darunter Du Bois und Ida Gibbs. Im Mittelpunkt dieses Kongresses in Paris stand eine Petition an die Friedenskonferenz in Versailles, in der gefordert wurde, dass die Alliierten bei der Verwaltung der ehemaligen Gebiete in Afrika zusammenarbeiten und dass Afrika eine Selbstverwaltung gewährt wird. Beim zweiten Kongress kamen 26 verschiedenen Gruppen aus ganz Afrika, Europa, der Karibik und den Amerikas sowie von geschwisterlichen Organisationen aus Asien zusammen. Im Mittelpunkt dieses Kongresses, der in London, Brüssel und Paris stattfand, stand die Verabschiedung einer Erklärung, in der die europäische Kolonialherrschaft in Afrika kritisiert und die ungleichen Beziehungen zwischen der weißen und der Schwarzen Race beklagt sowie eine gerechtere Verteilung der Ressourcen der Welt gefordert wurde. Auf dem dritten und vierten Kongress in London und New York City forderten die Delegierten erneut Selbstbestimmung und ein Ende der europäischen Ausbeutung des Kontinents und sprachen die Probleme in der Diaspora im Zusammenhang mit Lynchjustiz und der Herrschaft weißer Minderheiten an.
Es gab auch Aktivisten und Schriftsteller wie CLR James, die in dieser Zeit an Bedeutung gewannen. Der 1901 in Trinidad geborene CLR James leistete kühne Beiträge zum radikalen Denken der Schwarzen, indem er panafrikanische und marxistische Ideen miteinander verband. Er stellte vor allem die falsche Dichotomie von „panafrikanischem Nationalismus“ und „Arbeiter*innen-Internationalismus“ in Frage und fasste damit seinen Widerstand gegen raciale, koloniale und klassenbasierte Unterdrückung zusammen. Andere Denker dieser Zeit waren der Amerikaner Paul Robeson, der Trinidader George Padmore, der Senegalese Léopold Senghor, der Martiniquaner Aimé Césaire und der Kenianer Jomo Kenyatta. Man könnte es als panafrikanische, Schwarz-atlantische intellektuelle Gemeinschaft bezeichnen, da Ideen in der Diaspora frei ausgetauscht wurden.
Die 1940er-1960er Jahre
In den späten 1940er Jahren, inmitten der Roten Angst in den USA, trat die eher sozialistische panafrikanistische Bewegung zurück und Afrikaner*innen begannen, das Ruder zu übernehmen, wo zuvor Afroamerikaner*innen waren. Aus dieser Zeit möchte ich den 5. Panafrikanischen Kongress und den Aufstieg von Kwame Nkruma hervorheben.
Auf dem 5. Panafrikanischen Kongress in Manchester im Jahr 1945 wurden in Anwesenheit von 200 Mitgliedern die Grundlagen des heutigen Panafrikanismus gelegt. Ziel war es, einen allgemeinen Entwurf für ein praktisches Programm zur politischen Befreiung Afrikas auszuarbeiten. Sie waren weitaus militanter als frühere Kongresse und strebten eine freie Föderation afrikanischer sozialistischer Staaten an. Der Kongress forderte die Unabhängigkeit, rief zur Solidarität unter allen unterdrückten und ausgebeuteten Völkern auf und verurteilte Imperialismus, raciale Diskriminierung und Kapitalismus. Der 5. Kongress brachte eine Reihe afrikanischer intellektueller und politischer Führender hervor, die den Kontinent auf unterschiedliche Weise beeinflussen sollten, darunter Obafemi Awolowo und Kwame Nkrumah.
Der 1909 geborene Nkrumah war ein panafrikanischer Marxist-Leninist, der die Unabhängigkeitsbewegung der Goldküste anführte, aus der 1957 die Nation Ghana hervorging, und 1963 die Organization of African Unity mitbegründete. Er war stark von Marcus Garvey, W. E. B. Du Bois, George Padmore, CLR James und Edward Blyden beeinflusst und suchte bei ihnen nach Wegen, wie Afrika sich selbst zu einer Kraft des Guten in der Welt entwickeln kann. Mit der Unabhängigkeit wurde er der erste Premierminister Ghanas.
Unter seiner Führung war Ghana im Wesentlichen eine Sozialdemokratie mit einem starken Wohlfahrtsstaat, einem Bildungs- und Gesundheitswesen und einigen verstaatlichten Industrien. Er arbeitete auch daran, das Land schnell zu industrialisieren. Nkrumah förderte eine panafrikanische Kultur, lehnte eurozentrische Normen ab, förderte traditionelle Kleidung und eröffnete Museen und andere kulturelle Einrichtungen. Er verbot auch die Stammeszugehörigkeit, um den Einfluss lokaler Häuptlinge zurückzudrängen — mit wenig Erfolg — und baute seine autokratischen Fähigkeiten langsam aus, verbot andere politische Parteien und wurde Präsident auf Lebenszeit. Er wurde auch dafür kritisiert, dass er einen Personenkult aufbaute. Schließlich wurde er 1966 durch einen vom Westen unterstützten Putsch gestürzt und der Nationale Befreiungsrat, der die Kontrolle übernahm, privatisierte die nationale Industrie unter der Aufsicht multinationaler Konzerne. Er kehrte nie wieder nach Ghana zurück und verbrachte den Rest seiner Tage in Guinea, als ehrenamtlicher Co-Präsident von Ahmed Sékou Touré, einem anderen „Präsidenten auf Lebenszeit“.
Die 1960er-1980er Jahre
Zu diesem Zeitpunkt begann der Panafrikanismus außerhalb Afrikas zu schwinden. In den USA wurde die Black Panther Party zwischen 1966 und 1982 aktiv. Sie setzte sich militant für Black Power ein und organisierte Sozialprogramme und Cop-Watches in den Gemeinden. Das FBI betrachtete die Black Panther Party als „die größte Bedrohung für die innere Sicherheit des Landes“ und arbeitete daran, die Struktur der Partei zu infiltrieren, Mitglieder und Anführende zu ermorden und zu verhaften und Ressourcen abzuschöpfen. Mehr als jede andere Schwarze politische Organisation betonte die Black Panther Party den Klassenkampf, sogar über dem Panafrikanismus, was schließlich zu einer Spaltung mit Kwame Ture und anderen eher Schwarznationalistischen Mitgliedern führte. Die Organisation war weit davon entfernt, perfekt zu sein, und es gab viele interne Spaltungen und Spannungen, die auf die Feindseligkeit der Führung gegenüber abweichenden Ansichten und alternativen Ideologien zurückzuführen waren.
In Afrika begann 1974 der 6. Panafrikanische Kongress in Dar es Salaam, Tansania. Anders als frühere Panafrikanische Kongresse fand er außerhalb des westlichen imperialen Zentrums statt. Zu diesem Zeitpunkt erkannten die Panafrikanist*innen die Bedrohung durch den Neokolonialismus, indem sie den Sturz verschiedener afrikanischer Regierungen und den Einsatz von Afrikaner*innen zu deren Sturz in Betracht zogen. Daher legten die Panafrikanist*innen mehr Gewicht auf den Klassenkampf gegen westliche, östliche und afrikanische Kapitalist*innen. Langsam begannen sie jedoch auch zu erkennen, dass die verschiedenen bürokratischen Formen des Sozialismus gescheitert waren und dass die Massen stärker einbezogen werden mussten, um Elitismus und Autokratie zu besiegen. Sie sprachen auch endlich offen die Frauenfrage an und beschlossen, die politischen Kämpfe Schwarzer Frauen für die Gleichberechtigung zu unterstützen.
In diese Zeit fielen auch der Aufstieg religiöser Staatskapitalisten wie Robert Mugabe und Muammar al-Gaddafi sowie der Aufstieg und Fall von Thomas Sankara. Mugabe war ab 1980 drei Jahrzehnte lang der korrupte und ideologisch unklare Premierminister und dann Präsident von Simbabwe. Gaddafi war ein antisemitischer Panarabist und Panafrikaner, der Libyen ab 1969 42 Jahre lang regierte und sich für die „Vereinigten Staaten von Afrika“ einsetzte. Thomas Sankara war der sogenannte Che Guevara Afrikas, der ab 1983 in Burkina Faso weitgehend positive, radikale Programme für soziale, ökologische und wirtschaftliche Veränderungen auf den Weg brachte. Natürlich unterdrückte er auch streikende Arbeiter*innen, verbot Gewerkschaften und schränkte die Medienfreiheit ein. Ich habe also gemischte Gefühle in Bezug auf ihn. 1987 wurde er ermordet und seine Regierung wurde entmachtet.
Die 1980er Jahre und danach
Die letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich mit der Frage, wie der Panafrikanismus zu Beginn des neuen Jahrtausends aussehen sollte. Gelehrte begannen, den Afrozentrismus zu entwickeln, der afrikanische Denkweisen, Kulturen und historische Perspektiven als Korrektiv zur langen Tradition der europäischen kulturellen und intellektuellen Vorherrschaft hervorhebt.
Mit dem Ende des Kalten Krieges begann eine neue Ära der Globalisierung, doch Afrika blieb anfällig für externe Interventionen und Neokolonialismus. Allerdings gab es in dieser Zeit auch einige Siege gegen den Siedlerkolonialismus, wie zum Beispiel in Südafrika mit dem Ende der Apartheid. Die Frage der Entschädigungen für die Folgen von Sklaverei und Kolonialismus wurde 1993 auf der Ersten Panafrikanischen Konferenz über Wiedergutmachung in Abuja, Nigeria, wiederbelebt. Der 7. Panafrikanische Kongress fand 1994 in Kampala, Uganda, statt und die Organisation für Afrikanische Einheit wurde 2002 durch die Afrikanische Union ersetzt, die erklärte, dass sie die gesamte afrikanische Diaspora einbeziehen würde. Die Relevanz des Sozialismus im Panafrikanismus wurde nun von den kapitalistischen afrikanischen Führenden der Nachkriegszeit in Frage gestellt. Panafrikanist*innen und Schwarzafrikaner*innen begannen auch zu hinterfragen, wer als Afrikaner*in zählt, um die besten Voraussetzungen für die Befreiung und Einheit Afrikas zu schaffen, denn die Versklavung von Schwarzafrikaner*innen durch Araber hält bis heute an, besonders in Libyen und Mauretanien.
Panafrikanismus heute
Es gäbe noch so viel mehr über das vergangene Jahrhundert des Panafrikanismus zu erzählen. Klar ist, dass es zwar Einigkeit darüber gibt, dass ein Wandel notwendig ist, dass es aber viele unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie dieser Wandel aussehen und wie er herbeigeführt werden kann.
Selbst in radikalen Diaspora-Kreisen wird heutzutage nicht mehr so oft über Panafrikanismus diskutiert, obwohl es auf dem Kontinent immer noch Probleme mit Korruption und Unterdrückung gibt. Rassismus, Eurozentrismus, die Folgen der Versklavung, Kolonialismus und seine Hinterlassenschaften, eine kapitalzentrierte Welt und Imperialismus sind immer noch aktuell. Doch Prominente, Opportunist*innen, Liberale und Memes haben das öffentliche Bewusstseins gekapert. Viele Menschen scheinen die internationale Solidarität vergessen zu haben, aber das könnte sich bald ändern.
Das Black Lives Matter Global Network wird von manchen als panafrikanische Bewegung angesehen, aber ist es das auch? Das Netzwerk erklärt, dass es „von Anfang an die Absicht hatte, Schwarze Menschen aus der ganzen Welt, die den gleichen Wunsch nach Gerechtigkeit haben, miteinander zu verbinden, um in ihren Gemeinschaften gemeinsam zu handeln“. Aber kann man es wirklich als panafrikanisch bezeichnen, wenn es sich nicht zentral um Afrika dreht? Ist BLM Global etwas ganz anderes? Was ist die Zukunft des Panafrikanismus?
Die Zukunft des Panafrikanismus
Ich bin kein Hellseher, aber auf dieser Reise zur Erforschung des Panafrikanismus sind mir einige Lektionen sehr deutlich geworden.
Erstens müssen Panafrikanist*innen viel tiefer in die afrikanische Geschichte eindringen, um die Fehler der frühen Denker*innen zu vermeiden, die die afrikanischen Völker homogenisierten und die Unterschiede zwischen den Nationen, Gemeinschaften und Ländern auf dem Kontinent und in der Diaspora nicht verstanden. Wir sind in unserem Kampf geeint, aber Kampf ist nicht alles, was es gibt. Wir sind immer noch ein vielfältiges und facettenreiches Volk mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Interessen, die es zu berücksichtigen gilt.
Zweitens: Petitionen funktionieren nicht. Wahlen und liberale Strategien für die panafrikanische Befreiung sind zeitaufwändige Unternehmungen, die sich kaum auszahlen. Die ersten Panafrikanischen Kongresse konzentrierten sich darauf, an die Regierungen der Welt zu appellieren, die Rechte und Freiheiten Afrikas zu respektieren, aber das stieß meist auf taube Ohren. Selbst wenn solche Bemühungen erfolgreich waren, fanden die Herrschenden der Welt immer noch Wege, uns durch neokoloniale Praktiken auszubeuten, die durch die Schwarzen Gesichter in hohen Positionen, die sie einführten, erleichtert wurden.
Apropos Schwarze Gesichter in hohen Positionen: Es ist klar, dass zentralisierte, auf Elitismus und Personenkult basierende Top-Down-Organisationen sowie staatsorientierte Unternehmungen insgesamt eine Sackgasse sind. Wie das Sprichwort sagt: „Die Werkzeuge des Meisters werden niemals das Haus des Meisters abreißen.“ Im besten Fall sind solche Führer wie Nelson Mandela zu bloßen Sozialdemokraten in einer immer noch geschichteten, neokolonialen Gesellschaft geworden. Im schlimmsten Fall werden sie zu korrupten, opportunistischen Autokraten, die dem Volk ihren Willen mit Gewalt aufzwingen, wie Robert Mugabe. Oder sie wurden inhaftiert und ermordet, wie die Anführenden der Black Panther Party, was zum Untergang der gesamten Organisation führte. Keiner dieser Versuche hat zu Autonomie, freier Vereinigung und Selbstverwirklichung der Massen geführt. Keiner von ihnen hat auch nur annähernd die Freiheit der afrikanischen Völker herbeigeführt, für die der Panafrikanismus eintritt. Der Panafrikanismus muss die führungszentrierte Organisation hinter sich lassen und sich auf die volle Beteiligung und den Konsens der Menschen durch eine horizontale Organisation konzentrieren, die auf lokaler Autonomie und globaler Solidarität beruht.
Panafrikanist*innen müssen auch verstehen, dass es keinen Panafrikanismus geben kann, der Sexismus, Kolorismus, Homo-, Trans-, Queer- und Behindertenfeindlichkeit oder andere Formen der Unterdrückung aufrechterhält. Frühere Bewegungen haben es versäumt, einige der Schwächsten in unserer Gemeinschaft einzubeziehen und zu fördern. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können für die Zukunft lernen. Die Anarkata-Philosophie und -Bewegung ist darin besonders geschickt, da sie aus einer Reihe von revolutionären Rahmenwerken schöpft, darunter Schwarzer Marxismus, Panafrikanismus, Schwarzer Feminismus, Soziale Ökologie, Anarchismus und Queer-Befreiung, um eine inklusive, horizontale, antiimperiale und ökologisch orientierte Bewegung aufzubauen, ohne auf Hierarchie, Zentralisierung oder einen „panafrikanischen Staat“ als Mittel zur globalen Schwarzen Befreiung zu setzen.
Es gibt immer noch ein großes Bedürfnis nach Freiheit. Es gibt immer noch das Bedürfnis, sich zu vereinen. Wir werden immer noch von Nationen und Kapitalist*innen aller Couleur unterjocht und ausgebeutet. Afrika und die Afrikaner*innen sowie die unterdrückten Völker im gesamten Globalen Süden sind nach wie vor die Pfeiler, auf denen die Kapitalist*innen dieser Erde stehen. Der Panafrikanismus ist nur eines von vielen Werkzeugen, die uns zur Verfügung stehen, wenn wir mit dem Wissen um unsere Geschichte und dem Ehrgeiz für unsere Zukunft unseren Weg gehen. Unsere ökologisch begründete, horizontal organisierte, dezentral geplante, lokal ausgerichtete, global denkende und sozial ausgerichtete Zukunft.